: Philipp Gurt
: Engadiner Teufel Der dritte Fall für Corina Costa
: Dörlemann eBook
: 9783038208723
: Alibi
: 1
: CHF 13.40
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Golden leuchten die Lärchen, tiefblau glitzern die Seen im herbstlichen Oberengadin. Doch als die Nacht hereinbricht, wird Corina Costa, Alpinpolizistin und Bergbäuerin, auf ihrem kleinen Hof oberhalb von Pontresina alarmiert. Maxima, eine Berliner TikTok-Ikone, die mit ihrer Schwester wild am Piz Lagrev campierte, ist vor laufender Kamera entführt worden. Die halbe Welt hat live zugesehen. Als Corina und ihre Kollegen in der Dunkelheit den Bergwald absuchen, stoßen sie auf ein verlassenes Zelt. Daneben liegen die grausam zugerichteten Leichen zweier unbekannter Frauen. Wer sind die Opfer, und wer ist der Täter? Alles deutet auf einen Angriff durch einen Braunbären hin. Doch Corina weiß es besser. Diese Tat kann nur vom gefährlichsten Raubtier auf dem Planeten begangen worden sein. Von einem Menschen! Die Zeit drängt - Wo sind Maxima und ihre Schwester?

Philipp Gurt wurde 1968 als siebtes von acht Kindern einer armen Bergbauernfamilie in Graubünden geboren und wuchs in verschiedenen Kinderheimen auf. Bereits als Jugendlicher verfasste Gurt Kurzgeschichten, mit zwanzig folgte der erste Roman. Schon immer hatte er ein inniges Verhältnis zur Natur, das auch sein hochatmosphärisches Schreiben prägen sollte. Seine Verbundenheit mit dem Kanton Graubünden, wo er noch heute als freier Schriftsteller lebt, ist in jedem seiner Romane spürbar.

Prolog


Der dichte Schneefall hatte Julias hellbraune Locken längst weiß geschmückt. Ihre Wangen waren von der Kälte gerötet, die blauen Augen hellwach. Wie eine dem Tod geweihte Prinzessin sah sie aus, einem Tod, dem sie verzweifelt zu entfliehen versuchte.

»Neeein!«, schrie sie keuchend auf und hetzte weiter barfuß den Berghang hoch. Sie verschwendete keine Zeit mit einem Blick zurück, denn sie wusste auch so, dass ihr Verfolger ihr schon wieder näher kam. Wie er das schaffte, war rätselhaft und beängstigend und raubte ihr weiter Kraft und beinahe den letzten Hoffnungsschimmer.

Ausgerechnet in diesem Jahr war der Winter früher übers Oberengadin hereingebrochen, sodass in dieser Nacht die goldenen Lärchen mit weißen Häuptern im kniehohen Schnee standen. Wie stumme Betrachter blickten sie regungslos auf die Tragödie, die sich zu ihren Füßen abspielte. Die Natur kannte nun mal weder Gut noch Böse, nur das Überleben und das Sterben. Den Bäumen war es daher einerlei, ob unter ihnen das heimische Rudel Wölfe ein verletztes Tier hetzte oder eine junge Frau mit letzter Kraft versuchte, ihrem Entführer zu entkommen.

In der nächtlichen Stille ruhten im Hochtal die Engadiner Seen schwarz glänzend in der Kälte, noch waren sie nicht gefroren. Die Dörflein an ihren Ufern schliefen schon, und das gleißende Licht des vergangenen Bergsommers war längst entschwunden. Dafür kräuselte nun der Rauch aus einigen der Kamine und würzte die Winterluft in den Dörfern, deren Häuser sich wie steinerne Herdentiere schützend um den Kirchturm scharten.

Vor wenigen Minuten war der gedämpfte Klang einer Glocke von irgendwoher unheilverkündend an Julias Ohr gedrungen, als läutete er ihr Ende ein. Drei bedrohliche Schläge waren es gewesen, und auf jeden der Schläge war diese Stille gefolgt, als wäre jeder Schlag schon der letzte gewesen. So ähnlich fühlte sich die Jagd auf sie bisher an: Zwei Mal schon hatte ihr Verfolger sie beinahe erwischt und ihre Hoffnung fast zerstört, doch beide Male war sie ihm im letzten Moment wieder entkommen. Sie fürchtete sich nun vor ihrem dritten und vielleicht letzten Glockenschlag und mehr noch vor der drohenden Totenstille danach!

Doch die junge Berlinerin dachte im Traum nicht ans Aufgeben und flüchtete, vom puren Überlebenswillen getrieben, weiter durch das Schneegestöber.

Vor ungefähr einer halben Stunde war ihr weiter unten an der Landstraße, die dem rechten Ufer des Silsersees Richtung Maloja folgte, die Flucht aus einem grauen Transporter gelungen. Ihr Entführer hatte eine, wie es ihr schien, dringende Pinkelpause einlegen müssen. Sie hatte gehört, wie er sich direkt neben dem Fahrzeug lautstark erleichterte, als wäre seine Blase kurz vor dem Platzen gewesen. Als er danach von außen mit der flachen Hand an die Karosserie geschlagen hatte, der Laderaum des Fahrzeuges war fensterlos, hatte sie keine Antwort gegeben, sich leblos gestellt. Er polterte erneut, rief, dass sie gefälligst antworten solle, ehe er unwillig die Schiebetür aufzog und seinen Kopf ins Innere des Wagens streckte. Ein Schwall kalter Luft strömte in den beheizten Innenraum.

Das Fahrzeug schaukelte unter dem Gewicht des Mannes, während er zustieg. Als er Julia mit der Fußspitze anstieß, keuchte sie: »Mir geht’s schlecht, ich brauche Wasser …«

»Verdammt, was ist denn mit der los?«, fluchte er mit Blick auf die unter ihm Liegende. Er beschloss, ihr schnell etwas zum Trinken aus der Fahrerkabine zu holen, denn er hatte schließlich noch etwas mit der jungen Frau vor, und dazu brauchte er sie quicklebendig und im Moment noch in einem Stück. Er zog die Schiebetür