: Wolfgang Mück
: Schauerheim Eine Kindheit im Franken der Nachkriegszeit
: ars vivendi
: 9783747206744
: 1
: CHF 14.30
:
: Romanhafte Biographien
: German
: 240
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein lebendiges Porträt der Nachkriegszeit mitsamt ihrem emotionalen Erbe für die nachfolgenden Generationen Für Leserinnen und Leser von Ewald FriesEin Hof und elf Geschwister und Paul MaarsWie alles kam Der siebenjährige Wolfgang kommt im Jahr 1946 mit seiner Mutter und seinen zwei Brüdern nach der Vertreibung aus Mähren im fränkischen Dorf Schauerheim an und muss für einige Jahre ein provisorisches Notquartier im Pfarrhaus beziehen. Schritt für Schritt lebt sich die Familie in die festgefügte Dorfgemeinschaft ein, stößt teils auf freundliche Unterstützung, teils aber auch auf strikte Ablehnung und heftige Ressentiments gegen die sogenannten »Rucksackdeutschen«. Der scheue Bub wird zu einem Beobachter dieser für ihn zunächst so fremden Welt mitsamt ihren allmählich vertrauter werdenden Menschen und Gebräuchen und einer Landschaft, die in ihrer Weite an die heimatliche Herkunft erinnert.

WOLFGANG MÜCK, geboren im deutschsprachigen Nordmähren, kam als Flüchtlingskind nach dem Zweiten Weltkrieg ins dörfliche Franken, eroberte sich eine noch von althergebrachten Traditionen geprägte fremde Welt und erlebte mit staunenden Augen den Aufbruch in die Wirtschaftswunderzeit der 1950er-Jahre. Mück ist promovierter Historiker und Autor zahlreicher Publikationen, u. a. zur Geschichte der NS- und Nachkriegszeit.

Neue Heimat in Franken – das Pfarrdorf Schauerheim

Kaum sind unsere beiden Kisten, die Nähmaschine und die beiden Koffer auf dem breiten mit ausgetretenen Sandsteinplatten belegten Treppenabsatz abgeladen, fährt unser Transporteur schon weiter. Auf der Ladefläche hat er noch weitere Flüchtlinge mit Gepäck, die er zu den für sie bestimmten Unterkünften in die Nachbardörfer bringen muss.

Erwartungsvoll schauen wir uns um. Mutti steigt mit festen Schritten die restlichen Stufen zum Eingang des Pfarrhauses hoch und zieht am Seilzug der Glocke. Im Innern schlägt hell eine Schelle an. Wir warten. Nichts rührt sich. Mutti klopft an die Türe. Niemand öffnet. Abwechselnd läuten wir nun, mein älterer Bruder Manfried und ich. Mutti sitzt jetzt wie gelähmt auf der großen schwarzen Holztruhe, die ihren Namen und unseren Heimatort nennt: »Emilie Mück – Mohelnice – Müglitz«. Auf ihrem Schoß schläft unser kleiner Bruder Wilfried. Wir warten, läuten wieder und wieder und warten. Bange Stunden vergehen.

Wir haben Zeit, unsere neue Umgebung zu betrachten. Das zweigeschossige Pfarrhaus, ein stolzer Sandsteinbau mit einem hohen Walmdach und einem einladenden Portal, schließt an den Rand des von einer hohen Mauer umgebenen Kirchhofs an. In der Mitte des Kirchhofs, zu dem ausgetretene Sandsteinstufen emporführen, steht die Kirche mit ihrem mächtigen Dach und dem wuchtigen, alles überragenden Turm. Seine zwiebelrunde, mit grauen Schieferplatten belegte Haube geht in eine zweite kleinere Haube über, ganz oben dreht sich über einer goldenen Kugel ein Hahn im Wind: Ein lustiger Anblick, denke ich bei mir. Im Schutz dieses stattlichen Bauwerks soll also unser künftiges Zuhause liegen. Was für ein Glück, in dieser Idylle anzukommen – das war wohl auch unser erster Gedanke gewesen, als wir erfuhren, dass wir in einem Pfarrhaus untergebracht werden sollten.

Der Tag schreitet fort, doch nichts passiert. Wir bekommen Hunger, uns plagt Durst. Da geht gegenüber dem Pfarrhaus im ersten Stock ein Fenster auf. Eine freundliche Frau schaut herunter, hinter ihr drängt sich ei