: A. A. Milne
: Das Geheimnis des roten Hauses
: Dörlemann eBook
: 9783038208808
: 1
: CHF 14.30
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wenn Mark Ablett, Schriftsteller und Mäzen, ins »rote Haus« einlädt, seine malerisch gelegene Residenz auf dem Land, lassen sich die Leute nicht lange bitten. Dieses Mal wird die englische Sommerfrische von einem Überraschungsgast gestört: Marks nichtsnutzigem Bruder Robert, der die letzten fünfzehn Jahre in Australien verbracht hat. Keiner der Anwesenden wusste von seiner Existenz, die Geschwister können sich nicht sehr nahestehen. Und mit der Idylle ist es endgültig vorbei, als Robert, das schwarze Schaf der Familie, ermordet wird und Mark daraufhin spurlos verschwindet. Da die Polizei im Dunkeln tappt, wollen zwei seiner Freunde, Antony Gillingham und Bill Beverley, die Sache aufklären. Auf ihre Weise.

A. A. Milne, 1882 in London geboren und 1956 in Hartfield, Sussex, verstorben, wurde als britischer Humorist für seine Geschichten rund um Christopher Robin und Winnie Puuh bekannt. Milne arbeitete für verschiedene Zeitschriften und diente zwischenzeitlich im Ersten Weltkrieg, wurde jedoch aufgrund von Krankheit aus dem Dienst entlassen. Neben dem Kriminalroman Das Geheimnis des roten Hauses (1922) zählen Mr. Pim Passes By (1921), Michael and Mary (1930) sowie für Kinder Make-Believe (1918) zu seinen Werken. Sein größter literarischer Erfolg ergab sich aber aus dem, was er für seinen Sohn Christopher Robin verfasste: Gedichtsammlungen ebenso wie Winnie Puuh. Bei Milnes Trauerfeier wurde das legendäre Lied »How sweet to be a cloud« von Winnie Puuh gesungen.

1Mrs Stevens bekommt einen Schreck


Das rote Haus hielt in der schläfrigen Hitze des Sommernachmittags Siesta. Das Summen von Bienen über den Blumenrabatten, das Gurren von Tauben in den Ulmen, aus der Ferne das Surren eines Rasenmähers.

Es war die Stunde, in der selbst diejenigen, die dazu da waren, den anderen zu dienen, einen Moment für sich selbst hatten. Im Zimmer der Köchin, die Mr Mark Abletts Junggesellenhaushalt vorstand, machte Audrey Stevens, das hübsche Stubenmädchen, sich den Sonntagshut zurecht und plauderte mit der Tante.

»Für Joe?«, fragte Mrs Stevens mit Blick auf den Hut.

Audrey nickte. Sie nahm die Nadel aus dem Mund und steckte sie in den Hut.

»Er mag Rosa«, sagte sie.

»Ich auch«, sagte die Tante.

»Aber Rosa ist nicht jedermanns Geschmack«, sagte Audrey, streckte den Arm aus und betrachtete den Hut. »Schick, oder?«

»Dir steht er. Und in deinem Alter hätte er mir auch gestanden. Jetzt wäre er allerdings etwas zu auffällig, aber ich könnte ihn immer noch besser tragen als manche andere. Ich habe noch nie so getan, als wäre ich was anderes, als ich bin. Wenn ich fünfundfünfzig bin, bin ich eben fünfundfünfzig.«

»Du bist aber doch achtundfünfzig, oder?«

»Das war doch nur ein Beispiel«, sagte Mrs Stevens mit viel Würde.

Audrey nahm ihr Nähzeug zur Hand, betrachtete einen Moment kritisch ihre Fingernägel und begann zu nähen. »Komisch, die Sache mit Mr Marks Bruder«, sagte sie. »Ich finde es nicht normal, wenn man seinen Bruder fünfzehn Jahre nicht sieht.« Sie lachte etwas befangen. »Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn ich fünfzehn Jahre von Joe getrennt wäre.«

»Ich habe es dir doch schon heute Morgen gesagt, Audrey«, sagte die Tante. »Ich bin jetzt ganze fünf Jahre hier in Stellung und habe nie ein Wort von einem Bruder gehört. Bei meiner Seele, seit ich hier bin, hat es keinen Bruder gegeben.«

»Also, mich hat doch fast der Schlag gerührt, als er heute beim Frühstück plötzlich von ihm zu sprechen begann. Ich weiß natürlich nicht, was er vorher gesagt hat, aber als ich ’reinkam – wegen der heißen Milch, glaube ich? Oder dem Toast? –, sprachen sie alle von diesem Bruder, und Mr Mark – du kennst ja seine Art – drehte sich zu mir um und sagte:

›Mein Bruder besucht mich heute Nachmittag. Ich erwarte ihn gegen drei. Führen Sie ihn ins Studio.‹

›Ja, Sir‹, sagte ich ganz ruhig, aber ich war selten in meinem Leben so erstaunt, denn woher soll ich denn wissen, dass er plötzlich einen Bruder hat?

›Mein Bruder aus Australien‹, sagte er. Das hätte ich fast vergessen. ›Aus Australien.‹«

»Er kann ja in Australien gewesen sein«, sagte die Tante. »Beschwören könnte ich es natürlich nicht, denn ich war ja nie in Australien. Aber eins weiß ich hundertprozentig: In den fünf Jahren, in denen ich nun schon hier bin, war er nie hier.«

»Aber Tante, er war ja seit fünfzehn Jahren nicht mehr in England. Ich habe gehört, wie es Mr Mark zu Mr Cayley gesagt hat. ›Fünfzehn Jahre nicht mehr‹, hat er gesagt, weil Mr Cayley ihn gefragt hat, wann er das letzte Mal in England war. Mr Cayley wusste, dass Mr Mark einen Bruder hat, denn ich habe gehört, wie er es Mr Beverley erzählt hat, aber er wusste nicht, dass der Bruder fünfzehn Jahre nicht mehr in England w