Kapitel 3: Sexocorporel – ein körperorientierter Ansatz
3.1. Der Weg zum sexuellen Wohlgefühl
Wie schaffst du es nun, sexuell selbstsicherer zu werden und damit dein Liebes- und Sexleben auf neue Höhen zu heben – oder anders gesagt, auf eine Ebene, auf der du dich frei und selbstbewusst fühlst?
Als Sexologin beschäftige ich mich schon seit meinem Studium intensiv mit dem Sexocorporel. Mein Beratungsansatz in der Arbeit mit Klient*innen ist darauf ausgerichtet.
Sexocorporel ist ein therapeutisch-sexologischer Ansatz, der von Jean-Yves Desjardins (1931–2011) an der sexologischen Fakultät der Universität von Montreal in Quebec in den 1980er Jahren entwickelt und gelehrt wurde. Bis heute wird dieser Ansatz weiterentwickelt und angewandt.
Er basiert auf dem Modell sexueller Gesundheit, wie ihn die Weltgesundheitsbehörde WHO formuliert hat, und der seit Jahrzehnten beforscht wird. Dieses Modell erlaubt eine sexologische Evaluation aller Komponenten, die in der menschlichen Sexualentwicklung zusammenspielen. Dies ist die Voraussetzung, um Menschen, ausgehend von ihren sexuellen Anliegen, Fähigkeiten zu vermitteln, die ihre sexuelle Gesundheit verbessern und fördern.
Um was geht es nun genau?
Sowohl unsere Lust als auch unsere Sexualität sind komplexe Gebilde. Wir nehmen sie oft als selbstverständlich und natürlich wahr. Das sind sie aber nicht ganz. Sie sind vielmehr von verschiedenen Faktoren abhängig, die sich oft ganz leicht stören lassen. Gewisse Aspekte in der Sexualität sind schon biologisch »natürlich«.
Doch wie wir Sex ausleben und romantisieren, beziehungsweise insgesamt wie wir heute Sex haben – daslernen wir. Wir haben uns über die Zeit eine richtige Kultur der Sexualität erschaffen. Es beginnt schon ganz früh, zum Beispiel beim Thema Berührung: Wurdest du als Baby/Kind liebevoll berührt? Hast du unterschiedliche Qualitäten der Berührung erfahren und kennen gelernt? Und hast du diese dann beim Heranwachsen weiterentwickeln können in der Selbstberührung und beim Berühren von anderen Menschen? Das ist alles gelernt.
Genauso lernst du auch andere Dinge für die Sexualität. Zum Beispiel, was vor oder nach dem Sex passiert oder passieren sollte oder wie du dich bewegen kannst. Sowas kann auch aus Filmen und Büchern usw. gelernt sein. Diese gelernten und teilweise eher fixen Ideen und Gedanken über Sex lassen sich selbstverständlich auch »umlernen« oder weiterentwickeln. Auch die Störfaktoren, die weiter oben erwähnt werden, können sich wandeln, wenn du einen neuen Umgang mit ihnen lernst oder dich mit wirksamen Waffen dagegen wappnest.
Du kennst das bestimmt auch: Nach einem stressigen Arbeits- oder Unialltag hast du abends bestimmt weniger Lust auf Sex, als wenn du den ganzen Tag am Strand verbracht und danach noch auf einer Party ausgelassen gefeiert und getanzt hast. Aber was wäre, wenn wir es schaffen könnten in die Lust zu kommen, trotz Stress? Das muss nicht sein, aber es ist schon etwas, das wir uns aneignen können.
Lust und Sex entwickeln und verändern sich ständig. Während das biologische Geschlecht schon mit unserer Geburt fixiert wird, sind alle an der Sexualität beteiligten Komponenten Teil unserer Sexualentwicklung und damit veränderbar – und erlernbar.
Dieser Sexualisierungsprozess beginnt mit dem bereits vorgeburtlich angelegten Erregungsreflex, der sich im Verlauf der Entwicklung mit immer neuen motorischen, sensorischen, symbolischen, kognitiven und kommunikativen Funktionen verbindet. Damit finden genitale Aneignungen statt, also Lernschritte auf genitaler Ebene. Diese können sich über Wiederholungen verfestigen und ermöglichen erst die Lustfunktion.
Wie jede Entwicklung verläuft auch die Sexualentwicklung wellenförmig und lebenslang. So beeinflussen uns etwa hormonelle Veränderungen; zum Beispiel welche, die die Pubertät einleiten oder auch neue sexuelle Lernprozesse. Dazu können aber auch Krankheiten und Behinderungen kommen.
Der Sexocorporel beschreibt diese sexuellen Phänomene umfassend und präzise. Darauf aufbauend können wir erkennen, was dich zum Beispiel daran hindert, dich frei auszuleben. Damit können wir aber auch Möglichkeiten finden, wie du deine Sexualität erfüllter gestalten kannst – sowohl körperlich als auch emotional. Mit dem Sexocorporel bekommst du das passende »Handwerkszeug«.
Wichtig ist bei diesem Ansatz: Betrachte dich als eine körperlich und seelisch unt