1. KAPITEL
Emmaline Swenson war sich ihres Platzes in der Welt stets bewusst gewesen. Mit vier Brüdern, einem Vater, der sich für sie alle abrackerte, und einer überforderten Mutter war es ihr Job, sich um die Familie zu kümmern – nicht um sich selbst.
Sie wusste, dass sie nicht besonders hübsch war mit ihrem langweiligen, aschblonden Haar und ihrer eher rundlichen Figur. Als Teenager hatte sie davon geträumt, sich in einen starken, ehrlichen Mann zu verlieben und mit ihm ihren ersten Kuss im Mondlicht zu erleben, aber selbst da war ihr schon klar gewesen, dass eine solche Romanze für ein schlichtes, pflichtbewusstes Mädchen wie sie eher nicht vorgesehen war.
Aber dann, mit siebenundzwanzig, hatte sie sich verliebt. Es war besser gewesen als jeder Traum. Eine perfekte Nacht lang hatte sie sich schön und begehrenswert gefühlt – in den Armen des unglaublichsten Mannes überhaupt.
Doch schon am nächsten Morgen war alles vorbei gewesen. Und jetzt, mit achtundzwanzig, waren alle romantischen Tagträume, die sie je gehabt hatte, endgültig ausgeträumt.
„Bist du so weit, Liebes?“
Emmie wandte sich vom Spiegel ab und ihrem Vater zu, dessen Gesicht von einem Lächeln voller Liebe und Stolz zum Strahlen gebracht wurde.
„Ich wünschte wirklich, deine Mutter könnte dich jetzt sehen.“ Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. „Sie wäre so stolz …“
„Danke, Dad“, brachte Emmie mühsam hervor. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihre Mutter wirklich stolz gewesen wäre. Margie Swenson hatte sie zeit ihres Lebens stets dazu angehalten, sich nicht vom Alltagstrott und der nicht enden wollenden Arbeit überwältigen zu lassen. „Man muss die Schönheit in den einfachen Dingen des Lebens entdecken“, hatte sie immer gesagt. Emma hoffte, dass sie dazu eines Tages in der Lage sein würde.
Aber ganz sicher nicht heute. An ihrem Hochzeitstag.
Das glückliche Leuchten in den Augen ihres Vaters verblasste, während er sie betrachtete. „Stimmt etwas nicht?“
„Nein, es ist alles in Ordnung.“ Emmie zwang sich ein Lächeln auf die Lippen, erhob sich von ihrem Platz am Schminktisch und trat ans Fenster. Das Licht der Junisonne ließ den weißen Satin ihres Kleids golden schimmern. Vor Jahrzehnten war es das Hochzei