: Angelika Diem
: Schattenthron I Das Mädchen mit den goldenen Augen
: Machandel Verlag
: 9783959594585
: 2
: CHF 4.50
:
: Jugendbücher ab 12 Jahre
: German
: 288
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Werde ich jemanden finden, bei dem ich beides sein kann, Mensch und Reh?' Rahel hat ein gut gehütetes Geheimnis: Sie kann sich in ein Reh verwandeln. Als sie trotz aller Vorsichtsmaßnahmen enttarnt wird, flieht Rahel aus ihrem Dorf und verdingt sich als Küchenhilfe am Königshof. Doch sie ahnt nicht, dass sie dort erst recht nicht im Verborgenen leben kann. Denn ihre außergewöhnliche Schönheit ist nicht unbemerkt geblieben: Rahel wird dazu auserkoren, an der Brautschau für den arroganten Prinzen Leonard teilzunehmen. Einfach märchenhafte Verwandlungen, finstere Intrigen und eine Liebe, die alles ändern könnte.

Über die Autorin Angelika Diem: -geboren 1968 im schönen Ländle hinter dem Arlberg -leidenschaftliche Leseratte (Fantasy, Mystery, Mangas, Krimis, historische Romane und vieles mehr...) -verschlingt daneben viele Bücher über Japan -schrieb mehrere Jahre Artikel und Rezensionen für die Zeitschrift 'MangasZene' unter dem Nick 'Lady Raven' -kocht mit Leidenschaft und erfindet gern neue Rezepte -spielt am Wochenende gern World of Warcraft (aktueller Chara: Jägerin Caitlynn (Mensch) auf dem Server 'Der Mithrilorden' -schrieb ihre ersten Geschichten auf einer alten schweizer Schreibmaschine ohne 'ß' -verwöhnt ihren rotgetigerten Stubenkater namens Akira -liebt ihre Arbeit als Lehrerin und Schulbibliothekarin an der Mittelschule Bludenz -hätte gern noch mehr Zeit, sich mit Lesern, Autoren und interessanten Menschen im Web auszutauschen


Das Geheimnis


 



KÖNIGLICHER ERLASS ZUR

BRAUTSCHAU FÜR PRINZ LEONARD

Seine Majestät, König Gisir I., der Gütige und Gerechte, unumschränkter Herrscher des Reiches und Bewahrer des Friedens, veranstaltet in seiner Großzügigkeit Feste und Spiele aller Art im Vorfelde zur Feier des neunzehnten Jahrestages seines einzigen Sohnes und Erben, Prinz Leonard. Im Rahmen dieser Feierlichkeiten wird seine Majestät König Gisir die zukünftige Gemahlin unseres Kronprinzen, und somit die zukünftige Königin des Reiches, erwählen. Zu diesem Zwecke mögen sich alle Jungfrauen des Königreichs zwischen sechzehn und achtzehn Jahren zwei Wochen vor dem achten Monde am Königsschloss einfinden, unbesehen ihrer Herkunft und ihres Standes, ob adelig oder bürgerlich. Eine vollständige Teilnahme wird erwartet.

Wenn das ein Scherz ist, dann wird jemand dafür hängen.

Ungläubig lese ich den Text ein zweites Mal. Doch, darunter prangt das offizielle Siegel des Königshauses aus schwarzem Wachs mit der glänzenden Krone in der Mitte. Ich trete ganz nah heran und fahre mit dem Finger über das Blattgold der Krone. Es ist echt. Kein Zweifel. Und so frisch, wie es aussieht, hängt das Plakat noch nicht lange da, auf der Bretterwand vor dem Dorfbrunnen.

Der Prinz … mir wird bewusst, dass ich noch nie ein Bild von ihm gesehen habe. Auf den wenigen Bildern in unseren Schulbüchern war immer nur König Gisir allein zu sehen: breit und kräftig, mit sehr hellen Haaren und einem leicht schiefen Kinn, in seinem goldenen Königsmantel. So habe ich ihn vor Augen.

Moment, ein Bild des Prinzen gibt es. Ich stelle meinen Korb hin, krame in meiner Schürzentasche und fische eine der kleinen Kupfermünzen heraus. Prinz Leonards Porträt ist daraufgeprägt, im Alter von drei Jahren. Weshalb gibt es nirgendwo Bilder der kompletten königlichen Familie? Auch von Königin Eugenia habe ich noch nie eins zu Gesicht bekommen. Solche Fragen stellt man hier am besten nicht laut. Was der König wünscht (oder nicht wünscht), wird nicht infrage gestellt. Das ist oberstes Gesetz. Für Ungehorsame und Tratschmäuler steht der Pranger gleich neben dem Galgen auf dem Hügel nördlich vom Dorf.

Also eine Brautschau. Dunkel erinnere ich mich, dass Mutter mir von einer solchen erzählt hat, damals, als König Enrik, der Befreier, eine Braut für seinen Sohn, unseren heutigen König Gisir, suchte. Zu jener Zeit durften natürlich nur Adelige teilnehmen. Und dieses Mal also alle. Weshalb sollte der König auch nur daran denken, seinen Sohn mit einem einfachen Dorfmädchen zu verheiraten? Da muss etwas anderes dahinterstecken, sicher nichts Gutes.

Dennoch … gedankenverloren blicke ich auf das schwarze Siegel. Vor meinen Augen erscheint das Königsschloss, ich male mir all die vornehm gekleideten Damen aus, wie sie dort stehen, in Samt und Seide gekleidet, kichernd und tuschelnd die Ankunft des Prinzen erwarten. Daneben sehe ich mich. In meinem geflickten Rock und der Bluse mit den zu kurzen Ärmeln und den Holzpantoffeln. Meine langen rotbraunen Haare zu einem schlichten Zopf geflochten, statt zu einem juwelengeschmückten Lockenturm hochgesteckt. Und da kommt er, eine schattenhafte Gestalt, fast so groß wie Vater, die goldene Krone des Siegels ziert sein Haupt. Die Damen halten die Luft an, klimpern mit den Wimpern, doch er geht an all diesen aufgeputzten Schönheiten vorbei, bleibt vor mir stehen, reicht mir die Hand und führt mich zum Tanz.

Ich seufze und schüttele den Kopf. Woher kommt dieser Blödsinn denn auf einmal? So etwas passiert vielleicht im Märchen, aber sicher nicht im wahren Leben. In meinem Leben. Wie auch? Nein, ich bin nicht auf der Suche. Nicht nach einem Mann, geschweige denn nach einem Prinzen. Vor allem nicht nach dem Sohn des Schattenkönigs, wie wir