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Als gegen sieben Uhr Rebeccas Mann Nick mit einer großen Einkaufstüte aufgetaucht war, hatte Moira sich verabschiedet, obwohl die Bakers sie zum Essen eingeladen hatten. Sie fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, dass ihr Vater ganz alleine zu Hause saß. Selbst wenn die Katzen ihm Gesellschaft leisteten, würde er sich freuen, wenn er nicht alleine zu Abend essen musste.
Nach Sonnenuntergang stieg jetzt im Oktober bereits herbstliche Kühle auf, und Moira fröstelte trotz Strickjacke in ihrem Sommerkleid. Die Luft hatte diese gewisse Schärfe, die bereits den Winter ankündigte. Unterwegs begegneten ihr nur zwei Leute, die ihre Hunde ausführten, alle anderen saßen wohl beim Abendessen oder schon vor den Fernsehgeräten. Als sie an der OsteriaIl Mulino vorbeikam, wo eine Menge los zu sein schien, spähte sie durch eines der Fenster. Zu ihrer Überraschung war ihr Vater weit davon entfernt, einsam in seinem Kämmerlein zu hocken. Er saß nämlich an einem der Tische und unterhielt sich mit zwei alten Herren, die Moira nicht kannte.
Sie drückte die Tür auf und betrat die Gaststube. Das warme Licht, der Duft nach Gewürzen und Bratensoße, leises Geschirrklappern und entspanntes Stimmengewirr empfingen sie. Die meisten der dunklen, massiven Holztische waren besetzt. Gabriella wusste, wie man eine gastliche Atmosphäre schuf – imIl Mulino fühlte man sich wie im eigenen Wohnzimmer, nur besser, weil man jederzeit nette Gesellschaft und gutes Essen vorfand.
Jetzt hatte Gabriella sie entdeckt und winkte. Moira schlängelte sich zur Theke und küsste die Wirtin auf beide Wangen.
»Carissima, schön, dass du den Weg in meine Osteria nicht vergessen hast.« Gabriella zwinkerte.
»Ich weiß, ich war länger nicht hier, aber das wird sich ändern. Ich habe meine Wohnung in Deutschland aufgelöst und bin jetzt dauerhaft im Tessin.«
»Ich freue mich! Komm doch mal nachmittags vorbei, dann habe ich mehr Zeit zum Plaudern.« Gabriella nahm ein Tablett mit Biergläsern und eilte zu einer lauten Tischrunde am Fenster. Moira ging zu ihrem Vater und seinen Freunden hinüber.
»Schön, dass du nicht alleine daheimsitzt.« Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange.
»Matteo, Bruno – das ist meine Tochter Moira«, sagte Ambrogio zu seinen beiden Gesprächspartnern. »Moira, das sind Matteo und Bruno Lanfranchi, Urgesteine, so wie ich – von uns gibt es nicht mehr allzu viele hier im Dorf, nicht wahr, Bruno?«
»Piacere, sehr erfreut«, sagte Matteo, der ungefähr im Alter ihres Vaters war, ohne aufzustehen oder ihr die Hand zu reichen. Es klang etwas verwaschen, seine schwammigen Wangen und trüben Augen verrieten, dass er regelmäßig viel Alkohol trank. Bruno, der wesentlich älter war, starrte Moira finster an. »Hast du den Hühnerstall geputzt, wie ich dir gesagt habe?«, sagte er mit herrischer Stimme, die seinem gebrechlichen Äußeren widersprach. »Wenn du dich nic