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Sommer 1991
»Zeig mal!«, feixt Jari und kriecht zu Antti.
»Zerreiß sie nicht«, sagt Antti, hält die Zeitschrift in sicherer Entfernung von Jaris grapschenden Fingern und betrachtet die Titelseite. »Mann, das ist eine. Das ist tatsächlich eine, sogar die Weihnachtsausgabe!«
Antti legt sich auf den Bauch, sodass der Lichtstrahl, der durch den Schlitz der Luke scheint, genau auf das Titelbild des Magazins fällt. Jari kriecht neben Antti. Im Papiermüllcontainer riecht es nach einer Mischung aus verrottetem Papier und Schimmel. Auf der Titelseite hockt eine dunkelhaarige Frau, die nur mit einer Wichtelmütze bekleidet ist. Darunter steht zu lesen, dass der Weihnachtsmann für brave Mädchen einen prallen Sack bereithält. Eine andere Schlagzeile verspricht, dass Ruprechts dicker Knüppel einsatzbereit ist.
»Geil, der Busen!«, sagt Jari und grinst.
»Aus Silikon«, stellt Antti fachkundig fest und schlägt die Zeitschrift auf. Auf der nächsten Seite befinden sich das Inhaltsverzeichnis und ein Leitartikel zur Alkoholpolitik. Die Jungs überspringen beides und blättern weiter, betrachten genussvoll die Fotos und nähern sich langsam der Heftmitte, wo, wie sie wissen, die schärfsten Bilder zu finden sind. Und sie werden nicht enttäuscht. Die Bildserie zeigt einen Weihnachtsmann (der allerdings keinen Bart, dafür aber einen Waschbrettbauch und eine gewaltige Erektion hat), wie er mit einer Weihnachtselfin rummacht, die in den Augen von Jari und Antti alles andere als brav aussieht.
Der Blick der Jungen wird glasig, ihr Mund trocken. Antti liest die Lesergeschichte laut vor. Sie ist so schlüpfrig, dass sie ständig kichern müssen. Je weiter die Geschichte voranschreitet, umso schwerer fällt Antti das Lesen, weil er bei jeder Zeile heftig losprusten muss. Trotz all des Lachens bemerkt Jari unterhalb des Bauchnabels eine Veränderung an sich. Die Hose kneift extrem, und er muss das Knie anziehen, um sich Platz zu verschaffen.
Antti erzählt, dass er in der Umkleidekabine im Freibad Marias Brüste gesehen hat und dass die riesig sind. Dann sucht er im Magazin welche, die so ähnlich aussehen.
»Das hast du nicht! Da wette ich um ’nen Zehner!«, entgegnet Jari, obwohl er weiß, dass es gut möglich ist. Es kann tatsächlich sein, dass Antti auf das Zwischendach geklettert ist und von dort auf die Mädchenseite hinübergucken konnte. Aber so groß wie die Brüste der Frau auf dem Foto waren Marias garantiert nicht!
Die Metallklappe des Papiermüllcontainers wird aufgerissen, und sie werden von einem hellen Lichtstrahl geblendet. Ein fleischiges Männergesicht schiebt sich in die Öffnung. Obwohl das Gesicht im Dunkeln bleibt, erkennen die Jungs die speckige Silhouette des Hausmeisters sofort. Blitzschnell wie ein Schlangenbändiger streckt er seine Hand in den Container und reißt ihnen das Magazin aus der Hand. Gesicht und Zeitschrift verschwinden aus ihrem Sichtfeld, dafür hören sie jetzt den Alten umso deutlicher donnern: »Raus mit euch, und zwar dalli!«
Alle Kinder im Wohnblock wissen, wie sie ihm aus dem Weg gehen, dem Hausmeister aus Aufgang C, der mindestens einhundertzwanzig Kilo auf die Waage bringt und von Anttis Vater immer nur Walross genannt wird. Zugegeben, ein bisschen sieht er tatsächlich aus wie ein Walross. Mit seinen hängenden Wangen, seiner breiten Nase und den Nüstern, die aussehen wie zwei nebeneinanderliegende Höhleneingänge, wenn er sie aufbläht. Gesicht und Hals sind ständig gerötet und von dünnen Äderchen durchzogen, und der Bauch quabbelt über der Hose wie ein Wackelpudding. Das Walross hat Antti schon seit geraumer Zeit auf dem Kieker. Und in diesem Moment durchfurcht ein Grinsen sein gesamtes Gesicht, aus dem man ablesen kann, wie diebisch es ihn freut, Antti auf frischer Tat ertappt zu haben. Offen gesagt sieht e