: Luce Irigaray
: Gebete für jeden Tag - Prières quotidiennes Zweisprachige Ausgabe - Édition bilingue
: Les Éditions du Crieur Public
: 9783948325381
: 1
: CHF 12.60
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: Sonstiges
: German
: 126
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
In Gebete für jeden Tag - Prières quotidiennes widmet sich Irigaray der spirituellen Dimension der menschlichen Existenz, indem sie die Beziehung zwischen dem Selbst, dem Anderen sowie der Natur hinterfragt. Diese Sammlung von Gebeten und Reflexionen zeichnet sich durch einen sensiblen und introspektiven Ansatz aus, in dem sie Themen wie Achtsamkeit, Verbundenheit und das Heilige im Alltag erforscht. Sie verbindet ihre feministische Perspektive mit spirituellen Überlegungen und betont die Bedeutung von Empathie, Fürsorge und gegenseitigem Respekt. Dieses Buch präsentiert sich als philosophischer und spiritueller Leitfaden, der einen universellen Ansatz für Respekt und Verbindung zum Anderen propagiert und zu einer inneren Reflexion einlädt, die ein bewussteres und aufmerksameres Leben fördert. Dans Gebete für jeden Tag - Prières quotidiennes, Irigaray se penche sur la dimension spirituelle de l'existence humaine, en interrogeant la relation entre soi, l'autre et la nature. Ce recueil de prières et de réflexions se distingue par une approche sensible et introspective, où elle explore des thématiques telles que l'attention, la connexion et le sacré dans la vie quotidienne. Elle associe sa perspective féministe à des considérations spirituelles, soulignant l'importance de l'empathie, du soin et du respect mutuel. Ce livre se présente comme un guide philosophique et spirituel, prônant une approche universelle du respect et de la connexion à l'autre, et invite à une réflexion intérieure, encourageant une manière de vivre plus consciente et attentive.

Luce Irigaray, eine französische Philosophin, Linguistin und Psychoanalytikerin, ist eine unverzichtbare Figur der zeitgenössischen feministischen Theorie. Ihre bahnbrechenden Arbeiten untersuchen die Fragen von Geschlecht, Sprache und Identität und haben einen unbestreitbaren Einfluss auf das feministische Denken ausgeübt. Zu ihren Hauptwerken gehören Speculum: Spiegel des anderen Geschlechts und Das Geschlecht, das nicht eins ist, die als Referenztexte die traditionellen Denkstrukturen zur Geschlechterdifferenz erschüttert haben. Luce Irigaray, philosophe, linguiste et psychanalyste francaise, est une figure incontournable de la théorie féministe contemporaine. Ses travaux pionniers explorent les enjeux du genre, du langage et de l'identité, et exercent une influence indéniable sur la pensée féministe. Parmi ses oeuvres majeures, Speculum de l'autre femme et Ce sexe qui n'en est pas un, sont des textes de référence qui ont bouleversé les cadres traditionnels de réflexion sur la différence sexuelle.

GEBETE FÜR JEDEN TAG


LUCE IRIGARAY

VORWORT

Die Anfänge – die realen Grundlagen? – einer Kultur sind poetisch, zumindest künstlerisch. Das trifft auch auf den Westen zu. Ob wir uns wirklich in der Morgendämmerung einer neuen Kultur befinden oder einer wichtigen Übergangsepoche beiwohnen, die Kunst spielt eine Rolle, damit der Übergang gelingt. Für Hegel ist in diesem Fall der Krieg nützlich. Ich ziehe es vor, auf die Kunst zurückzugreifen, ein Prolog für andere Anfänge, nach der Interpretation von Mythen der Vergangenheit.

Wenn die Kunst anzuwenden ist, um der historischen Ebene neue Horizonte zu eröffnen, kann sie dies auch auf der persönlichen Ebene. Indem ich gewisse Gedichte schreibe, skizziere ich ein Gerüst, entdecke Wörter, die eine neue Etappe meines Denkens einleiten. Außer der täglichen Beobachtung individueller und kollektiver Realität wende ich zwei Methoden an: das poetische Schreiben und die logische Analyse des Diskurses. Dienlich ist mir auch die Lektüre von philosophischen, literarischen, wissenschaftlichen Texten, die verschiedenen Traditionen angehören. Eine andere Vermittlung – wenn ich sie so nennen kann – ist der Aufenthalt in der Natur, die den Körper und den Geist re-virginisiert und neue Perspektiven bietet für das, was gedacht worden und was zu denken ist.

Der Reiz des poetischen Schreibens besteht meines Erachtens darin, Materie und Form nicht zu trennen. Körper und Geist? In Begriffen indischer Philosophie würde man sagen,prakrti nicht vonpurusha zu trennen. Die Form vermählt sich dann eher mit der Materie statt sie zu beherrschen. Sie wertet sie auf, kultiviert sie durch Rhythmen, durch Skandierungen, den Rückgriff auf Farben, auf Töne und durch ein anderes Wachrufen sinnlicher Wahrnehmungen, statt sie in Konzepten zu dominieren. Die Kommentare Hölderlins zu Sophokles‘Antigone enthalten einige Beispiele dieser Behandlung sinnlicher Materie.

Das poetische Schreiben, das ich praktiziere, versucht einphuein zu bewahren und zu begünstigen, ein Werden, das sich nicht vom natürlichen Ursprung trennt. Die Form gibt nicht vor, die Materie zu dominieren, sondern sie stellt sich in den Dienst ihrer Entfaltung, ihres Wachsens.Purusha beherrscht nichtprakrti: Sie vermählen sich und befruchten sich gegenseitig. Der Körper wird Geist, und der Geist Körper, oder vielmehr werden sie beide zu Fleisch, der eine durch den anderen. Statt auf eine kulturelle Vermittlung zurückzugreifen oder auf ein Schreiben, das von Formalismus dominiert wird, bemühe ich mich, das Sagen immer offen zu lassen: einem multiplen Aufkeimen und einem multiplen Hören hingegeben. Vielfältig, aber gebunden an eine reale, fleischliche Erzeugung.

Der Gebrauch der Wörter, des Schweigens, der Rhythmen ist bestrebt, die Natur eher zu offenbaren als sie zu beherrschen. Das trifft für den Makrokosmos und für den Mikrokosmos zu, für das Universum und für den (die) K(örper. Die Natur sein zu lassen, si