Die Anfänge – die realen Grundlagen? – einer Kultur sind poetisch, zumindest künstlerisch. Das trifft auch auf den Westen zu. Ob wir uns wirklich in der Morgendämmerung einer neuen Kultur befinden oder einer wichtigen Übergangsepoche beiwohnen, die Kunst spielt eine Rolle, damit der Übergang gelingt. Für Hegel ist in diesem Fall der Krieg nützlich. Ich ziehe es vor, auf die Kunst zurückzugreifen, ein Prolog für andere Anfänge, nach der Interpretation von Mythen der Vergangenheit.
Wenn die Kunst anzuwenden ist, um der historischen Ebene neue Horizonte zu eröffnen, kann sie dies auch auf der persönlichen Ebene. Indem ich gewisse Gedichte schreibe, skizziere ich ein Gerüst, entdecke Wörter, die eine neue Etappe meines Denkens einleiten. Außer der täglichen Beobachtung individueller und kollektiver Realität wende ich zwei Methoden an: das poetische Schreiben und die logische Analyse des Diskurses. Dienlich ist mir auch die Lektüre von philosophischen, literarischen, wissenschaftlichen Texten, die verschiedenen Traditionen angehören. Eine andere Vermittlung – wenn ich sie so nennen kann – ist der Aufenthalt in der Natur, die den Körper und den Geist re-virginisiert und neue Perspektiven bietet für das, was gedacht worden und was zu denken ist.
Der Reiz des poetischen Schreibens besteht meines Erachtens darin, Materie und Form nicht zu trennen. Körper und Geist? In Begriffen indischer Philosophie würde man sagen,prakrti nicht vonpurusha zu trennen. Die Form vermählt sich dann eher mit der Materie statt sie zu beherrschen. Sie wertet sie auf, kultiviert sie durch Rhythmen, durch Skandierungen, den Rückgriff auf Farben, auf Töne und durch ein anderes Wachrufen sinnlicher Wahrnehmungen, statt sie in Konzepten zu dominieren. Die Kommentare Hölderlins zu Sophokles‘Antigone enthalten einige Beispiele dieser Behandlung sinnlicher Materie.
Das poetische Schreiben, das ich praktiziere, versucht einphuein zu bewahren und zu begünstigen, ein Werden, das sich nicht vom natürlichen Ursprung trennt. Die Form gibt nicht vor, die Materie zu dominieren, sondern sie stellt sich in den Dienst ihrer Entfaltung, ihres Wachsens.Purusha beherrscht nichtprakrti: Sie vermählen sich und befruchten sich gegenseitig. Der Körper wird Geist, und der Geist Körper, oder vielmehr werden sie beide zu Fleisch, der eine durch den anderen. Statt auf eine kulturelle Vermittlung zurückzugreifen oder auf ein Schreiben, das von Formalismus dominiert wird, bemühe ich mich, das Sagen immer offen zu lassen: einem multiplen Aufkeimen und einem multiplen Hören hingegeben. Vielfältig, aber gebunden an eine reale, fleischliche Erzeugung.
Der Gebrauch der Wörter, des Schweigens, der Rhythmen ist bestrebt, die Natur eher zu offenbaren als sie zu beherrschen. Das trifft für den Makrokosmos und für den Mikrokosmos zu, für das Universum und für den (die) K(örper. Die Natur sein zu lassen, si