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Susan
Sie fuhren nordwärts nach Maine, mit George Conover hinten im Kofferraum.
Susan fand es mehr als nur ein bisschen pietätlos, die Asche ihres verstorbenen Schwiegervaters zwischen ihr Gepäck zu stopfen, aber niemand in der Familie hatte protestiert, warum also sollte sie sich daran stören? Sie hatte den Mann kaum gekannt, war ihm erst vor drei Jahren das erste Mal begegnet, als Ethan Susan und ihre Tochter Zoe seinen Eltern vorgestellt hatte. George war zwar durchaus höflich gewesen, aber auch kühl und distanziert – ein distinguierter Bostonian in Blazer und Segelschuhen, der sich sein Urteil über diese zwei neuen Familienmitglieder vorbehielt, solange sie sich des Namens Conover noch nicht als würdig erwiesen hatten. Als er vor drei Monaten an einem Schlaganfall gestorben war, hatte Susan nicht sonderlich getrauert. Es hätte ebenso gut die Asche eines Fremden sein können, die dort in der Urne lag – so wenig hatte sie den Mann gekannt. Und dennoch kam es ihr unschicklich vor, ihn wie irgendein Gepäckstück zu behandeln.
Eine Empfindung, die Georges Witwe nicht zu teilen schien. Als sie in Brookline haltgemacht hatten, um Ethans Mutter abzuholen, war es Elizabeth selbst gewesen, die die Überreste ihres verstorbenen Ehemanns zusammen mit ihrem Koffer ins Auto gepackt und den Kofferraumdeckel zugeschlagen hatte. Wenn Elizabeth entschied, dass eine Sache geklärt war, war keine Diskussion mehr nötig.
Susan drehte sich zu Zoe und Elizabeth auf dem Rücksitz um. Obwohl sie Seite an Seite saßen, beschäftigten sie sich überhaupt nicht miteinander. Die fünfzehnjährige Zoe war in ihr Smartphone vertieft, eine typische Jugendliche, ganz in ihrer eigenen Blase gefangen, in der Unterhaltungen mit Klicken und Wischen geführt wurden. Und auch Elizabeth schien sich in ihre eigene Welt zurückgezogen zu haben. Sie starrte aus dem Fenster, während sie die Küste von Maine entlangfuhren, durch eine Reihe von Ortschaften mit merkwürdigen Namen: Wiscasset, Damariscotta, Waldoboro. Vielleicht dachte sie an frühere Sommer, in denen sie mit George genau diese Strecke gefahren war, auf dem Weg zu ihrer Sommerresidenz am Maiden Pond. Nach fünfundfünfzig Jahren Ehe würde dies ihre letzte gemeinsame Reise nach Maine sein, und doch verriet ihre Miene keinen Kummer. Sie saß kerzengerade da, eine alte Dame, die stoische Gelassenheit ausstrahlte. So war Elizabeth nun mal: praktisch und unsentimental.
»Hey, Ethan?«, sagte Zoe. »Du hast mir erzählt, dass das Haus am Maiden Pond ist. Wieso heißt der See so?«Ethan – so nannte sie ihn immer noch. Wie lange würde es dauern, bis er für sie endlich ihrDad war? Susan sah ihren Mann an und fragte sich, ob es ihm etwas ausmachte. Doch Ethan wirkte ungerührt und blickte seelenruhig durch seine Brille auf den Verkehr vor ihnen.
»Er heißt Maiden Pond, weil da vor langer Zeit mal ein Mädchen ertrunken ist«, antwortete Ethan.
»Echt? Wie lange ist das her?«
»Hmm … Mom? Weißt du das?«
Elizabeth riss sich aus ihren Tagträumen los. »Es ist mindestens hundert Jahre her. Eine Gruppe von Schulmädchen ist auf den See hinausgerudert, und das Boot ist gekentert. Das hat man mir jedenfalls erzählt.«
»Und das Mädchen konnte nicht schwimmen?«
Susan sah sich zu