KAPITEL
1
Ein Dichter beschrieb die Wälder Gallaziens einmal als so unergründlich und finster wie den Kummer Gottes. Und obgleich ich, was Dichter angeht, gemeinhin skeptisch bin, hat dieser damit wohl wortwörtlich ins Schwarze getroffen. Jedenfalls war der heimatliche Landstrich, den ich gerade durchritt, so unergründlich und finster, als entspränge er einem Märchen.
Der Herbst lag in den letzten Zügen und viele Bäume hatten ihr Blattwerk inzwischen ganz abgeworfen. Nun könnte man meinen, die Wälder würden lichter – doch wer das glaubt, der war vermutlich noch nie in Gallazien. Kiefern säumten die Straße wie spitze Zahnreihen, zwischen denen Eichen ihre kahlen Zweige wie arthritische Finger ausstreckten. Der tief hängende Himmel hatte die Farbe eines Bleigeschosses und schien beinahe die Baumwipfel zu berühren. Das und die Fuhrrillen, die in der Mitte der Straße einen Höcker bildeten, erweckten in mir das unangenehme Gefühl, geradewegs in den Schlund eines Riesen hineinzureiten.
Alles war nass. Von den Bäumen tropfte es beständig und das durchweichte Laub überzog den Boden als glitschige braune Schicht, die an billige Bratentunke erinnerte. Allein die immergrünen Nadeln hatten nichts von ihrer Anmut eingebüßt. Falls das alles tatsächlich einem Märchen entsprang, dann wohl einem, in dem am Ende alle gefressen werden – als Warnung davor, durch den Wald zu streunen –, und nicht etwa einer dieser Kitschgeschichten, die mit einer Hochzeit endeten sowie dem Sätzchen: »Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.«
Rechts des ansteigenden Weges lichteten sich die Bäume und gaben den Blick auf eine ho