: Martina Sahler
: Weiter Himmel, wilder Fluss Roman | Das spannende Finale der historischen Familiensaga in Russlands Weiten
: Verlagsgruppe Droemer Knaur
: 9783426217788
: Wolgasiedler-Trilogie
: 1
: CHF 5.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 352
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die historische Auswanderer-Saga an der Wolga neigt sich dem Ende zu mit dem finalen Band 'Weiter Himmel, wilder Fluss' der SPIEGEL-Bestsellerautorin Martina Sahler! Russland Anfang des 19. Jahrhunderts: Die vor zwei Generationen von den Weber-Schwestern gegründete Siedlung hat sich verändert. Einst aufgebaut und erblüht durch die Hoffnung, Liebe und Glück zu finden, müssen sich die Bewohner nun der nächsten Bedrohung stellen, die die Geschichte ihnen aufzwingt: Napoleons Feldzug gegen Russland. Doch nicht nur die politische Lage, sondern auch persönliche Schicksale bedrohen ihr Lebensglück. Christina hat sich als Modezarin in St. Petersburg etabliert, muss sich jedoch gegen eine unerwartete Mitstreiterin beweisen. Eleonora wünscht sich nichts sehnlicher als in ihre Heimat zurückzukehren, doch eine schwere Krankheit durchkreuzt ihre Pläne. Amelia Mai muss ihre verbotene Liebe für einen verheirateten Mann verheimlichen und Frannek Müller zieht in den Krieg gegen Napoleon. Klara kämpft dafür, dass das Vermächtnis ihrer Familie überlebt. Im mitreißenden Finale der Wolga-Trilogie holt die HOMER-Literaturpreis Gewinnerin Martina Sahler begeisternde Lesende zurück in die Weiten Russlands und taucht ein letztes Mal in die fesselnde und emotionale Geschichte der Weber-Schwestern ein. Die historische Familiensaga ist in folgender Reihenfolge erschienen: - Band 1: Weiße Nächte, weites Land - Band 2: Dunkle Wälder, ferne Sehnsucht - Band 3: Weiter Himmel, wilder Fluss

Martina Sahler, Jahrgang 1963, lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Köln und schreibt in ihrem Büro mit Blick in die Bergischen Wälder und den Katzen Lola, Luke und Lionel um die Beine seit vielen Jahren historische Romane. Zu ihren bekanntesten Werken gehören die Bestseller-Trilogie 'Die englische Gärtnerin', 'Die Stadt des Zaren' und 'Weiße Nächte, weites Land'. Für letzteren Roman wurde sie mit dem HOMER Literaturpreis in Silber ausgezeichnet.

Buch 1

Abschiede


1800–1803

1


Sankt Petersburg, Herbst 1800

Es war merkwürdig still in Andrés Privatgemach.

Christina hob den Kopf und lauschte, als sie den Salon in ihrer Stadtvilla am Newski-Prospekt betrat. Ofenwärme und Parfümduft empfingen sie. Eine Wohltat nach der kühlen Brise auf ihrem Heimweg vomModegeschäft Haber, dessen Räumlichkeiten sich nur wenige Gehminuten entfernt befanden.

Kein Geräusch drang aus den Zimmern ihres Gatten.

Sie ließ sich von ihrer Dienerin den Umhang mit dem Fuchspelzbesatz abnehmen und drückte ihr die Entwürfe einer französischen Modezeichnerin in die Hände. Grauenvoll dilettantische Machwerke. Kein Wunder, ihr Mann André hatte die Empfehlung ausgesprochen. Die unbegabte junge Frau war die Tochter eines Diplomaten, dem er offenbar einen Gefallen schuldete.

Christina schätzte es nicht, wenn ihr andere ins Handwerk pfuschten. Wenn jemand frische Talente auf dem Modemarkt entdeckte, dann war sie das, niemand sonst. »Bring dies in mein Bureau. Und sorg dafür, dass mich niemand stört.«

»Sehr wohl, Madame.« Anouschka verschwand fast unter dem üppigen Mantel, als sie knickste.

Christina reagierte mit einer barschen Geste, als wollte sie ein Huhn verscheuchen. Ach, wie gingen ihr diese Lakaien auf die Nerven! Anouschka war die Letzte in einer langen Reihe von Schwachköpfen, von denen keiner Christinas Ansprüchen genügen konnte. Entweder waren sie tollpatschig, begriffsstutzig, faul oder durchtrieben. In den zwanzig Jahren, in denen sie als deutsche Einwanderin in Russland über leibeigene Bedienstete verfügen konnte, hatte es nicht eine gegeben, die sie zufriedenstellte. Anouschka gehörte zu der bangen Sorte, die aus Furcht, einen Fehler zu begehen, ihr devotes Verhalten auf den Höhepunkt trieb. Keine vor ihr hatte sich tiefer verneigt, keine vor ihr war schneller gelaufen, wenn Christina ihr einen Auftrag erteilte. Sie benahm sich wie eine Hündin, die auf ein Lob oder einen Knochen wartete.

Christina zog die Nadeln aus ihrem breitkrempigen Hut und warf ihn auf die Kommode zu ihrer Rechten. Anouschka sollte ihn später in die Schachtel legen. Sie außer mit Mantel und Mappe auch noch mit dem Hut gehen zu lassen, hätte die Kleine überfordert. Christina seufzte. Vielleicht sollte sie Anouschka so bald wie möglich verheiraten. Manche blühten in der Ehe auf. Im Geiste ging sie durch, welche ihrer Leibeigenen für eine Ehe mit Anouschka infrage kamen. Auf Alter und Zuneigung würde sie dabei keine Rücksicht nehmen.

Christina hatte viel von ihrem Deutschtum bewahrt, aber die russische Tradition der Leibeigenschaft bedeutete einige Vorteile, zumindest in der Position der Herrin.

Sie zupfte sich die Finger der seidenen Handschuhe ab, bevor sie das Accessoire abstreifte. Der Fächer lag griffbereit neben dem Diwan. Mit geübtem Griff klappte Christina ihn auf. Ihre Löckchen flogen, als sie sich Luft zufächelte.

Zwar war die Hitze des Sankt Petersburger Sommers jetzt im September verflogen, und in den Abendstunden waberten zartlila Nebel über die in Stein gefasste Newa, die Mojka und die Fontanka, aber seit einigen Monaten plagten Christina Schweißausbrüche, unabhängig vom Wetter.

Sie rupfte an ihrem Kleid, das unter der Brust gerafft war und in Wellen bis zu ihren Seidenschuhen fiel. Durch den Schweiß klebte der Stoff an ihrer Haut. Als wäre diese neue Mode nicht schon unvorteilhaft genug für eine Frau von dreiundfünfzig Jahren, die sich zwar Zeit ihres Lebens diszipliniert hatte, aber einem Praliné oder einem Kelch Ungarwein bei den gesellschaftlichen Ereignissen im Winterpalast gern zusprach. Diese neue Mode stand den blutjungen Mädchen gut, und sie besaß zweifellos ihre Vorteile. Nie zuvor konnten Frauen so viel Bewegungsfreiheit genießen. Aber was nützte der schönste Schwung, wenn sich bei jedem Schritt die Rollen an Bauch und Taille zeigten?

Bis zu ihrem fünfzigsten Lebensjahr hatte sich Christin