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Blake deckte den Tisch für vier Personen, dann eilte sie zurück in die Küche. Sie öffnete die Backofentür, um hineinzusehen, und der Duft nach Huhn und Ofengemüse erfüllte das Zimmer. Als Heranwachsende hatte sie immer davon geträumt, in ein Zuhause zu kommen, in dem es nach Hausmannskost oder Gebäck duftete, obwohl sie die Male, die das tatsächlich geschehen war, wahrscheinlich an einer Hand abzählen konnte. Manchmal hatte ihre Mutter manisch das Haus geputzt, bis der Geruch von Chlor schwer in der Luft hing, und etwas Gutes zum Abendessen gekocht. Am nächsten Tag saß sie dann aber wieder zusammengesackt im Sessel oder schaffte es nicht, aus dem Bett zu kommen, und es blieb Blake überlassen, Brot und Milch zu rationieren, um mit dem, was sie hatten, möglichst weit zu kommen.
Als Älteste erinnerte sie sich daran, wie es früher gewesen war, als sie noch eine funktionierende Familie gewesen waren, aber es fiel ihr immer schwerer, diese Erinnerungen im Gedächtnis zu behalten, seit sie allmählich in die Rolle des Familienoberhaupts geraten war. Auch jetzt noch verspürte sie den Drang, ihre Geschwister mit Essen zu versorgen und auf sie aufzupassen, damit sie wussten, wie sehr sie geliebt wurden, obwohl sie inzwischen alle erwachsen waren und ihr eigenes Leben führten. Auch deshalb war sie, lange nachdem ihr Bruder und ihre Schwester ausgezogen waren, in dem verwohnten Drei-Zimmer-Apartment ihrer Kindheit geblieben: Sie sollten immer einen Ort haben, an den sie zurückkehren konnten, falls sie es brauchten.
In diesem Augenblick klopfte es an der Tür, und ihre Schwester rief: »Blake! Ich bin da!«
Blake vergaß das Huhn im Ofen und eilte hinaus, um sie zu begrüßen. Seit drei Monaten hatte sie Abby nicht gesehen, und ihre Stimme zu hören, beruhigte sie, als hätte etwas in ihrem Leben gefehlt, das nun endlich wieder da war.
»Es ist so schön, dich wiederzusehen.« Blake fiel in der Eile, ihre Schwester zu umarmen, beinah über deren Koffer, dann hielt sie sie lange fest.
»Ich freue mich auch«, sagte Abby. »Mein Gott, wie ich deine Kochkunst vermisst habe. Irgendwas riecht hier ganz toll, wie immer.«
Blake strahlte und hielt sie eine Armlänge von sich entfernt, um sie genau zu betrachten. »Ich habe dich noch nie so braun gesehen, und dein Haar sieht nach Strand aus. Gefällt mir sehr gut.« Gewöhnlich war es unvermeidlich, dass die Leute sie als Schwestern erkannten, mit dem gleichen langen, dunkelblonden Haar und den schokoladenbraunen Augen, aber Abby hatte sich in eine blondere, goldenere Version ihrer selbst verwandelt.
»Australien steht mir eben«, sagte Abby. »Ich wäre sehr gern noch länger geblieben.«
Sie gingen um das Gepäck herum in die Küche, wobei Abby aufgeregt von ihrer Reise erzählte und Blake eine Flasche Wein öffnete und zwei Gläser einschenkte. Blake war nie gereist, wohingegen Abby Länder abhakte, als wollte sie vor ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag jede Ecke der Welt gesehen haben.
»Also, was gibt’s Neues bei dir?«, fragte Abby, als sie schließlich innehielt, um Atem zu holen.
»Eigentlich nichts«, sagte Blake. »Nur Arbeit und noch mehr Arbeit, du kennst mich ja.«
»Allmählich solltest du wirklich auch mal anfangen, die Welt kennenzulernen, das weißt du, oder?«
Blake lachte. »Eines Tages mache ich das schon noch. Aber jetzt möchte ich dich erst mal verwöhnen und dann alles über die letzten drei Monate von dir hören.«
Im selben Moment klopfte es wieder an der Tür. Kurz darauf stand ihr Bruder Tom mit ihnen in der Küche. Erst nachdem Blake ihn umarmt und zugesehen hatte, wie er Abby hochhob, fiel ihr auf, dass er allein gekommen war.
»Wo ist denn Jen?«, fragte Blake und sah ihm über die Schulter, als könnte seine Freundin noch im Flur stehen oder sich vielleicht hinter ihm verstecken. »Ich dachte, sie würde auch kommen.«
»Ah, wir haben uns getrennt.« Tom zuckte die Achseln, als wäre es nicht wichtig. »Tut mir leid, ich hätte dir sagen sollen, dass sie nicht kommt.«
»Aber sie war doch so nett!« Blake stöhnte.
Er zuckte noch einmal die Achseln, und Blake wechselte einen Blick mit Abby, dankbar, dass sie sich gegenseitig bestätigen konnten, wie verrückt ihr Bruder war. Er hatte kein Problem damit, nette Frauen kennenzulernen, aber er hatte definitiv ein Problem damit, eine Beziehung länger als drei Monate aufrechtzuerhalten. Meistens kam es Blake so vor, als wäre sie mehr in sie verliebt als er.
»Hast du Bier?«, fragte Tom.
Blake nickte. Als würde nicht immer welches auf ihn warten. »Im Kühlschrank. Bedien dich.«
Sie machte sich nicht die Mühe zu fragen, was mit Jen geschehen war; sie wusste, er würde es ihr erst sagen, wenn die Zeit reif war, also ließ sie ihre Geschwiste