: Karin S. Wozonig
: Betty Paoli - Dichterin und Journalistin Eine Biographie
: Residenz Verlag
: 9783701747313
: 1
: CHF 24.50
:
: Geisteswissenschaften allgemein
: German
: 512
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Mit sechzehn Jahren war sie zum Broterwerb als Gouvernante gezwungen, mit fünfundzwanzig ein Superstar der deutschsprachigen Lyrik-Szene, nach 1848 die erste Journalistin Österreichs. Betty Paoli war in turbulente Liebesbeziehungen verwickelt und skandalumwittert, befreundet mit revolutionären Dichtern, mit Franz Grillparzer, Adalbert Stifter und Marie von Ebner-Eschenbach. Sie war Gast in hochadeligen Häusern, Übersetzerin für das Burgtheater und bis ins hohe Alter in den Wiener Salons wegen ihres scharfen Verstands und trockenen Humors von den einen gefürchtet, von den anderen bewundert. Karin S. Wozonig begegnet der Mythenbildung um Paolis Leben mit völlig neuen Fundstücken und Erkenntnissen und würdigt Paolis Bedeutung als Dichterin, Kritikerin und Pionierin der Publizistik.

Karin S. Wozonig, geboren 1970 in Graz, Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft, Anglistik/Amerikanistik und Germanistik in Wien und Los Angeles, Lehrbeauftragte am Institut für Germanistik der Universität Wien, forscht und publiziert zur deutschsprachigen Literatur des 19. Jahrhunderts und zu Literaturtheorien, schreibt Literaturkritiken und über Ratten. Sie lebt in Wien. Im Residenz Verlag erschienen: 'Betty Paoli - Dichterin und Journalistin. Eine Biographie' (2024).

Kindheit und Jugend


Betty Paoli wurde als Barbara Anna Glück am 30. Dezember 1814 in Wien im Haus Nummer 362 Innere Stadt geboren, im ›Färbergäßl‹, das an der Grenze der ehemaligen Judenstadt lag. Das Haus gehörte Barbaras Großmutter1, im ersten Stock befand sich die Weinhandlung von Franz Carl Dawit und gleich nebenan der ›Sabelkeller‹, ein traditionsreiches Weinlokal tief unter der Erde.2 Getauft wurde das Kind wenige Tage nach seiner Geburt in der nahegelegenen Kirche ›Zu den neun Chören der Engel‹ (Kirche Am Hof), der zweite Taufname ist der Tradition entsprechend der Name der Taufpatin, Anna Dawit, der Frau des Weinhändlers.3

Über Barbaras Eltern wissen wir wenig. Ihre Mutter hieß Theresia oder Therese Grünnagel, wurde 1776 in Wien geboren und heiratete am 5. Mai 1814 in Brünn, Mähren, den Feld-Oberarzt des Feldspitals Nr. 23, Anton Glück4, der 1777 in Ofen in Ungarn geboren wurde und in Erlangen Heilkunde studierte. Gut möglich, dass er mit jenem Anton Glick identisch ist, der im Jahr 1803 einer der Unterärzte des Infanterieregiments Nr. 37 in Großwardein, Ungarn, war.5 Der Name Glück oder auch Glick ist allerdings nicht ungewöhnlich und vor allem in der Variante Glückl oder Glickl ein häufiger jüdischer Name. Das ist einer der Gründe, warum Betty Glück/Paoli später gelegentlich als jüdische Schriftstellerin gelten wird. Anton Glück starb im Jahr 1822 an Tuberkulose.6 Über ihn lässt sich mit einiger Bestimmtheit sagen, dass er nicht Bettys leiblicher Vater war. Ihre Zeitgenossen hielten sie für die uneheliche Tochter eines ungarischen Adeligen, wobei Fürst Nikolaus II. Esterházy de Galantha ein möglicher Kandidat für die Vaterschaft ist. Bettys Mutter war in zweiter Ehe mit Sigismund Groschan, einem Kanzleibediensteten in der k. k. Cameral-Hauptbuchhaltung, verheiratet und starb 1834 im Alter von 58 Jahren an der Schwindsucht.7

»Die tatsächlichen Angaben über die Verhältnisse und Geschehnisse bis zur Lebensmitte der Dichterin leiten fast alle auf eine Quelle, auf den bekannten Schriftsteller Leopold Kompert, zurück und begnügen sich mit andeutenden Umrissen«, schreibt Friedrich Beck 1906 in einer biographischen Skizze.8 Kompert, seinerzeit populär als Verfasser von ›Ghetto-Geschichten‹, hatte für das literarische TaschenbuchGedenke mein! des Verlags Pfautsch& Voß eine Kurzbiographie Paolis verfasst.9 Dies sind die spärlichen biographischen Informationen, die Kompert über Kindheit und Jugend der Dichterin liefert:

Ihr Vater, seines Berufes Arzt, starb frühzeitig, seine Gattin mit dem kaum erwachsenen Kinde einer gesichert scheinenden Zukunft ü