Kapitel 1
»Mir ist, als hätte ich mein gesamtes Leben nur an dich gedacht.«
Flos Herz schlug Purzelbäume. »Du hattest doch Julia.«
Nach ihrem Einwand sah er sie merkwürdig verzagt an. »Wir haben zusammengearbeitet und der Film wurde zum Kassenschlager – das ist alles.« Richard Geres Blick ruhte noch immer auf ihr. Sacht senkte er seine Lippen und traf ihren Mund. Sein Kuss ließ sie alles ringsum vergessen. Flo sank gegen ihn, überließ ihm die Führung, spürte seine Wärme, seine Stärke, seine Männlichkeit. Als er irgendwann den Kuss beendete, überfiel sie ein beinahe überwältigendes Verlustgefühl. Sofort schlang sie ihre Arme um seinen Hals.
»Ich bin ja da, Flo. Ich werde immer für dich da sein.«
Sie wollte ihm gern glauben, aber sie war ein gebranntes Kind.
Seine tiefe, eindringliche Stimme berührte sie fast noch mehr als seine Worte es taten. »Du machst dir immer zu viele Gedanken.«
Woher wusste dieser Mann das nur? Alle anderen Menschen ließen sich leicht von ihrer witzigen, fidelen Fassade täuschen. Er nicht.
Mit den Händen öffnete er geschickt die Knöpfe ihrer Bluse. Schon berührte er ihre Brüste. Die zärtliche Leidenschaft, die sich in seinen Augen widerspiegelte, entfachte ein Feuer in ihr. »Es ist nur …«, stammelte sie. »Hollywood.«
»Vergiss Hollywood. Es ist lediglich ein Job. Mein wahres Leben findet hier statt, mit dir.«
Seine Worte streichelten ihre Seele, ihr Herz. Er brauchte nichts mehr zu sagen, und das tat er auch nicht. Die Bluse fiel zu Boden, kurz darauf der BH, den er ihr auf dem Rodeo Drive in Los Angeles gekauft hatte.
Richard Gere hielt sie an sich gepresst, als wäre sie die begehrenswerteste Frau auf der Welt und nicht etwa Floriane Usher aus dem Havelland in Deutschland. Sie schob ihre Finger unter sein Seidenhemd, seine Haut darunter fühlte sich wunderbar an. Sie roch teures Rasierwasser, und ihre Gedanken lösten sich auf wie Frühnebel an einem Sommertag. Noch nie war sie so geküsst worden, und sie genoss alles, was er mit ihr tat. Mutig griff sie nach seiner Gürtelschnalle und zerrte daran. Unter dem Reißverschluss spürte sie seine Erregung. Augenblicklich begann es in ihrem Bauch zu flattern. Er hob sie hoch, sie schlang die Beine um seine Hüften. Richard drang in sie ein und stöhnend kam sie zum Höhepunkt.
»Tag, Mrs. Usher.«
Flo fuhr zusammen. »Hallo, Mr. Hobbs.«
Der Mann schnappte sich eine der Einkaufstüten und hielt ihr die Tür auf.
»Danke.«
»Spätschicht heute?«, fragte er.
»Ja, richtig.« Sie kramte in ihrer großen Umhängetasche nach dem Schlüssel. »Stellen Sie einfach alles hier ab, den Rest schaffe ich schon. Vielen Dank und schönen Gruß an Ihre Frau.«
Er winkte ihr zu und verschwand um die Ecke.
Flo betrat die Küche und stellte ihre Einkaufstüten auf dem Tisch ab. Den Kassenbon legte sie sorgfältig in ihr Haushaltsbuch zu den anderen. Morgen würde sie die gesammelten Belege vom August addieren, doch sie sah kaum noch einen Sinn in dieser Gewohnheit. Schließlich wusste sie längst, dass sie Monat für Monat gerade so über die Runden kam. Das war nicht ihre Schuld, soviel hatte die Führung eines Haushaltsbuches sie immerhin gelehrt. Im Grunde genommen brachte sie diese Erkenntnis aber auch nicht weiter.
Flo versuchte, die Traurigkeit, die sie schon seit dem frühen Morgen empfand, abzuschütteln. Es gelang ihr nicht. Im Gegenteil, sie begriff, dass der heutige Tag nur die Spitze eines Eisberges war, der seit geraumer Zeit ihr bescheidenes Leben sabotierte. Zunächst war da das Gespräch mit Martha gewesen, die ihr berichtete, dass sie am Ende des Sommers den Pub schließen und verkaufen würde. Somit war klar, dass Flos Nebenjob sich erledigte. Möglicherweise könnte sie bei dem Nachfolger arbeiten, machte Martha ihr ein wenig Hoffnung. Flo gab sich keinen Illusionen hin. Bis der renovierte, ein Konzept erstellte und eröffnete, vergingen bestimmt zwei, drei Monate, in denen es keine zusätzlichen Dollars für sie und Kevin geben würde. Bitter, umso mehr, weil Anfang dieses Jahres der alte Doc Svenson gestorben war. Sie hatte ihm oft Gesellschaft geleistet und seinen Geschichten über Pflanzen gelauscht, die sich fest in einem verborgenen Winkel seines Gehirns eingenistet hatten. Zum Schluss nahm die Demenz eine erschreckende Form an. Niemand wusste wohl so viel über Blumen, Ziersträucher und Rasenpflege wie Johann Svenson. Jedenfalls niemand, den Flo kannte. Seine Enkelin Charlotte hatte ihr für die Geduld, die sie im Umgang mit dem alten Mann aufgebracht hatte, auch immer wieder etwas zugesteckt. Flo erinnerte sich noch genau an das schlechte Gewissen, das sie anfangs befiel. Sie bekam Geld für etwas, dass sie aus reiner Gefälligkeit tat. Die Gespräche mit dem alten Zahnarzt, dessen große Leidenschaft sein Garten war, machten ihr