: Holger Finze-Michaelsen
: In diesem wilden Tal Geschichten aus der Geschichte von St. Antönien
: Somedia Buchverlag
: 9783907095850
: 1
: CHF 17.90
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 184
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Es gäbe St. Antönien nicht, wäre da nicht im 4. Jahrhundert ein ägyptischer Mönch gewesen.Eine Kirchenglocke wird entführt.Torti Henni von Aschüel wird wegen Hexerei angeklagt.Der «kurze Luzi» zerquetscht sich zwischen zwei Baumstämmendas Bein und reitet trotzdem noch heim.Ein Graf aus der fernen Oberlausitz findet auch hier einezahlreiche Anhängerschaft.Ein Viehraub endet damit, dass sich ein Alpknecht zu Todemusiziert.Vor hundert Jahren: Kinder erzählen von ihrem Alltag.Das stattlichste Hotel am Platz, Ziel internationaler Gäste,wird ein Raub der Flammen.Der Pfarrer ist prinzipiell gegen Motorwagen und Postautos.«Wer hierher kommen will, kommt auch ohne Auto!»

Holger Finze-Michaelsen, Jg. 1958, stammt aus Ostfriesland an der Nordseeküste. Während 35 Jahren war er reformierter Gemeindepfarrer in Zweisimmen BE und in den Prättigauer Gemeinden St. Antönien, Schiers und Jenaz/Buchen. Von ihm stammen zahlreiche Publikationen zur Historie Graubündens, daneben auch Bücher mit Geschichten. Seit 2018 arbeitet er als Autor und lebt in Zizers. Er ist verheiratet und Vater von fünf erwachsenen Kindern.

I. Wie man sie sah

Gross und stark, gutmütig und dienstwillig

«Die Familie bestand nur aus vier Köpfen, einem alten Vater, der meistens ruhte, seiner Frau, die die Küche und was sonst im Hause zu thun war, bestellte, und dem Sohn, der mit seiner Frau das Vieh besorgte. Sowol hier als im Antonien- und Gavienthale überhaupt hatten wir von der mehrmals angemerkten vorzüglichen Grösse und sichtbaren Stärke so mancher Gebirgsbewoner sehr bestätigende Beispiele vor uns. Älplerische Gutmütigkeit und Dienstwilligkeit entwikelte sich bei unsern Wirthleuten immer mehr, wie sich ihre erste Scheue verlor. Sie äusserten nur darüber bei iedem Anlasse ihre Unruhe, dass wir mit ihrer Bedienung übel zufriedenseyn würden, doch wurden sie bald gesprächig und brachten mancherlei verständige Fragen, mitunter auch launische Einfälle hervor.

Abb. 1: Gottlieb Conrad Christian Storr.

Mit anbrechendem Tage besorgten die iunge Eheleute das Vieh, das man hier nur den Tag über auf den nahe liegenden Waiden lässt und nicht nur die Nacht durch gewönlich im Stalle behält, sondern, zumal bei nasser Witterung, auch des Morgens da füttert und erst nach dem Melken durch den Gemeindhirten zur Waide füren lässt. Gegen sieben Uhr nahm die Familie gemeinschaftlich das Frühstück, das aus Milch, Brod, Zieger und Käse bestand. Gegen acht Uhr gingen die iunge Leute zum Melken und übergaben die Milch der Mutter, die das Sennen besorgte. Nach neun Uhr sezten sie sich widerum zu Tische, um zu Mittag oder viel mehr auch dem gemeinüblichen älplerischen Ausdruke nach zu Morgen zu essen. Suppe, Molken und Zieger, Sauerkraut, Schweinfleisch, Würste und Brod waren die Gerichte dieses Mals. Um zwei Uhr nahmen sie widrum Milch, Brod und Käse, und um sieben Uhr Gerste mit Milch gekocht, Milch, Zieger und Brod. Nach dem Morgenessen sezte die Mutter mit Hülfe ihrer Schwigertochter die Milcharbeiten fort und besorgte etwas Essen für uns. Der Sohn sezte sich an die Schnizbank, Heinzen zu machen.»

Gottlieb Konrad Christian Storr (1749–1821) aus Stuttgart, der als 32jähriger 1781 die Schweizer Alpen besuchte, war in Tübingen ab 1774 Profesor für Chemie und Botanik.

Ungekünstelte Natur und unverdorbenes Herz

Soll ich «die noch mit alter Schweizer Redlichkeit und unschuldiger Einfalt der Sitten beglükten Bergbewohner, sie, die unversucht vom Neide und von der Begierlichkeit unangefochten bald in zerstreuten Hütten, bald im sti