Die Abschaffung des Berufsstands der Verwünscher
Wäre zu einem anderen Zeitpunkt bekanntgeworden, daß der Berufsstand der Verwünscher vor der Abschaffung stehe, so hätte die Nachricht bestimmt einen tieferen Eindruck hinterlassen, sowohl im Kreis der erschreckten Betroffe nen, also der Verwünscher samt ihren Angehörigen und Bekann ten, als auch bei den Beifallklatschern, sprich den unver besserlichen Liberalen, notorischen Unruhestiftern und überhaupt dem ganzen Haufen verantwortungsloser Elemente, die sich bei jeder außer Kraft gesetzten Vorschrift, jeder Abschaffung die Hände gerieben hätten, selbst wenn es um das eh renwerte Bäckerhandwerk gegangen wäre. Doch war dies eine Zeit tiefgreifender, das ganze Reich einschließender Reformen, und die Ohren der Leute waren mittlerweile an die tägliche Verkündung von Dekreten und Gesetzen gewöhnt, die auf die komplette Erneuerung des Staatsapparates, des Steuersystems, des Kriegswesens und so fort abzielten, so daß auch die je nach Blickwinkel gute oder schlechte Nachricht von der Abschaffung eines der ehrwürdigsten Gewerbe in dem jahrhunderte alten Staat auf ziemliche Gleichgültigkeit stieß.
Viele hielten diesen Schritt für einen unverzichtbaren Bestandteil der Maßnahmen zur Instandsetzung des in die Jahre gekommenen Staates, vor allem aber der aktuellen Annäherung an Europa, die, das war klar, über kurz oder lang spürbare Auswirkungen auf das gesamte Reichsgebäude haben würde. Tat sächlich wirkte das stumme Verwünschen, also der traditionelle, allein unter Einsatz der Handflächen ausgeübte böse Zauber, äußerst hinterwäldlerisch, wenn man berücksichtigte, daß inzwischen in der Hauptstadt die ersten Zeitungen erschienen waren und der Staat seine Geheimdienste, Botschaften und diplomatischen Empfänge nach europäischem Vorbild organisierte, ganz zu schweigen von der Einführung bis dahin gänzlich unbekannter Verfahren wie der Intoxikation, alles Anleihen bei der verfluchten Christenwelt.
Es hieß, der Großwesir habe wegen der Verwünscher den ganzen Winter über in ständigem Ringen mit dem Scheich ul-Islam gelegen. Seit wieder ein Vertreter der Familie Köprülü den Posten des Regierungschefs innehatte, rechnete man in religiösen und militärischen Kreisen mit allen möglichen Infamien. Auch früher schon hatten die Köprülü in diesem Amt dem Stand der Verwünscher nicht nur schweren Schaden zugefügt, sondern ihn an den Rand der Auslöschung gebracht. An ihren eigensinnigen Anstrengungen lag es, daß die Zahl der Berufsverflucher inzwischen so weit verringert worden war, daß es nur noch in Wohnzentren mit mehr als fünftausend Einwohnern einen von ihnen gab, bei den Landtruppen nur noch einen pro Armeestab, bei der Flotte nur noch einen pro Admiralsschiff, gar nicht zu reden von der Aufhebung des Rechts auf eine einheitliche Dienstkleidung und den beträchtlichen Gehaltskürzungen, bis hin zu dem auf offiziellen Empfängen deutlich wahrnehmbaren Rangverlust des Oberstaatsverwünschers. Doch das alles waren kleine Fische im Vergleich zu der nun erfolgenden Schlußattacke der Köprülü, die es tatsächlich geschafft hatten, den Souverän zur völligen Abschaffung des Berufsst