1. KAPITEL
„Für einen Mann, dessen neuester Film seit drei Wochen auf Platz eins der Kinokassen steht, wirken Sie ganz schön niedergeschlagen“, sagte Theresa Manetti zu ihrem Kunden Lukkas Spader.
Seit zwölf Jahren hatte sie ihren eigenen Catering-Service und war jetzt gerade verantwortlich für die Verköstigung bei der spontanen Abschiedsparty, die der berühmte Produzent für seine Assistentin Janice Brooks gab.
Das große, breitschultrige sechsunddreißigjährige „Wunderkind“, wie man ihn in Fachkreisen nannte, zuckte nur die Achseln. „Ich kann mich nicht auf meinen Lorbeeren ausruhen, Theresa. In diesem Geschäft ist man immer nur so gut wie die neueste Produktion.“
Theresa musterte den jungen Mann aufmerksam. Er hatte gerade ein ganz anderes Problem, das sah sie an seinem besorgten Gesichtsausdruck. „Ihnen macht doch noch etwas anderes zu schaffen“, sagte sie. „Leugnen ist zwecklos, Lukkas. Ich habe zwei Anwälte großgezogen, also können Sie mir nichts vormachen. Außerdem sind Sie jung, sehen gut aus, und Ihnen liegt die Welt zu Füßen. Was ist los?“
Lukkas zuckte wieder mit den Schultern. Er mochte diese Frau, deren Catering-Firma er schon öfter engagiert hatte. Irgendetwas an Theresa Manetti erinnerte ihn an seine verstorbene Mutter. „Sie geht.“
„Sie?“, wiederholte Theresa und sah sich verwirrt im Zimmer um.
Er nickte. „Ja. Jan.“
Theresa war überrascht. „Sie meinen die junge Frau, für die Sie diese Abschiedsparty geben?“ Sie konnte sich die beiden beim besten Willen nicht als Paar vorstellen, aber wenn der Abschied dieser Jan ihm so zu schaffen machte, warum versuchte er dann nicht, sie zum Bleiben zu überreden?
Lukkas nickte wieder. „Ja. Sie heiratet so einen Engländer, den sie bei den Dreharbeiten fürMy Wild Irish Rose kennengelernt hat.“ Erst jetzt schien ihm zu dämmern, dass Theresa ihn gründlich missverstanden hatte. Hier ging es nicht um eine Herzensangelegenheit. „Verstehen Sie mich nicht falsch“, fügte er hastig hinzu. „Ich freue mich für Jan, aber ich weiß nicht, wie ich ohne sie klarkommen soll.“
„Warum?“, fragte Theresa. „Was macht sie denn so Wichtiges für Sie?“
„Sie organisiert mich“, antwortete Lukkas schlicht. „Ich habe die Ideen und die Inspiration, und Jan ist diejenige, die für eine möglichst reibungslose Umsetzung sorgt.“
Bestimmt kein leichter Job, dachte Theresa. „Und Sie kennen niemanden, der sie ersetzen kann?“
Theresa fand es ehrlich gesagt bedauerlich, dass seine Assistentin schon unter der Haube war. Sie und ihre beiden Freundinnen Maizie und Cecilia hatten nämlich seit fast einem Monat kein Projekt mehr gehabt. Sie liebten ihre Jobs, aber nichts war befriedigender, als Menschen zu verkuppeln, die einander normalerweise nie begegnet wären.
Plötzlich fiel ihr das Pokerspiel vom vorherigen Montag ein. Hatte Cecilia dabei nicht eine junge Frau namens Yohanna Sowieso erwähnt, die gerade ihren Job verloren hatte und viel zu sympathisch und hübsch war, um „ohne Seelengefährten zu leben“ – Cecilias Worte?
„Nein“, antwortete Lukkas. „Es wird nicht einfach, Jan zu ersetzen. Vielleicht sogar unmöglich.“
Theresa schmunzelte. Der Produzent war berühmt. Er war Single. Er sah fantastisch aus. Mit anderen Worten – er war perfekt. „Da wäre ich mir nicht so sicher“, sagte sie geheimnisvoll.
Verdutzt sah er sie an. „Kennen Sie vielleicht jemanden?“
Theresas Lächeln war so liebenswert wie aufrichtig – und aufmunternd. „Mein lieber Junge, ich kenneimmer jemanden.“ Ihre Augen funkelten verschmitzt.
„Erzählen Sie mir mehr!“
Keine vierundzwanzig Stunden später stand Yohanna Andrzejewski vor Lukkas Spaders Tür. Der Türdes Lukkas Spader wohlgemerkt – Produzent einiger ihrer Lieblingsfilme.
Sie glaubte immer noch zu träumen. Gleichzeitig war sie so nervös, dass ihr die Knie zitterten.
Sie holte tief Luft, fasste sich ein Herz und drückte auf den Klingelknopf. Sofort musste sie lächeln. Der Klingelton bestand nämlich aus den Anfangstakten der Titelmusik zu seiner ersten Produktion:Dreamland. Sie schloss die Augen, während sie das Stück im Geiste weitersummte.
Und so sah Lukkas sie das erste Mal – mit geschlossenen Augen auf seiner Türschwelle stehend und sich zu einer Melodie wiegen