1. KAPITEL
Angelo Dizieno wusste, dass der falsche Mann vor dem Altar stand. Der falsche Zwilling. Ein Mann, der niemals die Krone hätte erhalten dürfen. Ein Mann, der seine Pflicht vergessen und seinen Bruder im Stich gelassen hatte. Sie waren eineiige Zwillinge gewesen – bis das Leben sie getrennt hatte. Zwei Minuten hatten zwischen ihrer Geburt gelegen, einhundertzwanzig Sekunden. Zwei Söhne. Ein Thronfolger.
Aber ein Thronfolger und sein jüngerer Bruder konnten niemals dasselbe sein. Sie hatten es beide gewusst. Hatten ihre Rollen verstanden.
Bitterkeit stieg in Angelo auf. Sein Blick schweifte über die Kirchenbänke voller europäischer Monarchen, Diplomaten, Premierminister … alle warteten darauf, dass er ihnen bewies, dass er seine Pflicht nicht noch einmal vergaß. Er war der König, den sie brauchten, denn er war der einzige König, den sie hatten.
So hätte es niemals sein sollen. Der Thron war nie für ihn bestimmt gewesen. Genau das war seine Strafe.
Hochzeit. Die Vereinigung zweier benachbarter Staaten aufgrund eines Versprechens, das vor fünfundsiebzig Jahren gegeben worden war. Er heiratete eine Prinzessin, die seinem Bruder versprochen gewesen war, und konnte nichts dagegen tun. Jeden Moment würden sie eine Braut hereinführen, die niemals ihm hätte gehören dürfen, eine Braut, deren Gesicht drei lange Jahre in seiner Erinnerung gelebt hatte. Die er für seinen abscheulichen Groll verantwortlich machte, nur der Zweitgeborene zu sein.
Er spürte ein stechendes Brennen in seiner Kehle und schluckte es herunter.
So wie du es vor drei Jahren hättest tun sollen.
Angelo biss die Zähne zusammen. Die Reue tat weh. Schon vor drei Jahren hätte er den Blick abwenden sollen, seine Gefühle tiefer in sich vergraben.
Stattdessen hatte er so getan, als wäre er der König.
Schon vor diesem Tag hatten Luciano und er tausende Male den Platz getauscht. Angelo hatte seinen Bruder bei unzähligen geschäftlichen Terminen vertreten. Er war in diesen Dingen besser gewesen. Besser bei knallharten Verhandlungen und der bessere Diplomat. Sie hatten die Plätze getauscht, weil Angelo der bessere … König war?
Plötzlich kam ihm sein Anzug zu eng vor.
Was wäre gewes