: Irina Rastorgueva
: Pop-up-Propaganda Epikrise der russischen Selbstvergiftung
: Matthes& Seitz Berlin Verlag
: 9783751820387
: 1
: CHF 21.70
:
: Gesellschaft
: German
: 337
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Während innerhalb Russlands das Verbot kritischer Medien und die Gleichschaltung der verstaatlichten Sender eine beinahe karikaturhafte Erzählung über traditionelle Werte und die Notwendigkeit der »Militärischen Spezialoperation« hervorbringen, arbeiten sorgfältig geplante Propagandaaktionen im Rest der Welt an der Destabilisierung demokratischer Gesellschaften. Ein planmäßiger Wahnsinn überzieht das Land. Er zeigt sich in inflationär gebrauchten Euphemismen und Hassrede, als Denunziation und in einem bis ins Subtilste durchdachten Strafregime. Und es ist ein Wahnsinn mit Geschichte. Denn die Gewalt, die die russische Gesellschaft unerbittlich im Griff hat, ist eine Fortführung der paranoiden Suche nach Feinden, der nächtlichen Verhaftungen, Durchsuchungen und Folterungen sowie der Gulags aus dem Sowjetregime - in grellem, neuem Gewand und verschmolzen mit dem Gangstertum der Neunzigerjahre. In ihrem einzigartigen Ton, der so präzise wie ironisch ist, zeigt Irina Rastorgueva in einer Montage aus Zeitungsfundstücken und unabhängigen Berichten, aus der eigenen Erfahrung genauso wie aus der Analyse kremlkritischer und russlandtreuer Autoren das Wirken der russischen Selbstvergiftung.

Irina Rastorgueva, 1983 in Juschno-Sachalinsk geboren, studierte Philologie an der Staatlichen Universität Sachalin und arbeitete als Kulturjournalistin für mehrere russische Zeitschriften und Radiosender. 2006 bis 2015 war sie Dozentin für Journalistik an der Staatlichen Universität Sachalin. Sie ist Autorin zahlreicher wissenschaftlicher Artikel über die Theorie und Geschichte der Literatur und des Journalismus des 20. Jahrhunderts. 2011 gründete sie das Kulturmagazin ProSakhalin. Von 2011 bis 2017 war sie Dramaturgin am Tschechow-Theater Sachalin und künstlerische Produktionsleiterin des Far Eastern Theatre Forum / Theatre go round Festival in Sapporo (2015). Seit 2017 arbeitet sie als Autorin und Grafikerin in Berlin. Sie schreibt u. a. für die FAZ, die NZZ und das Magazin Osteuropa. Gemeinsam mit Thomas Martin übersetzt sie und gibt die Werke von Georgi Demidow im Verlag Galiani heraus.

Vorwort


Am 9. September 2004 veröffentlichte Anna Politkowskaja imGuardian einen Artikel mit dem Titel »Poisoned by Putin« (»Von Putin vergiftet«) über ihre Reise nach Beslan (Nordossetien), als Terroristen die Schule stürmten, und darüber, wie russische Sicherheitsdienste versuchten, sie im Flugzeug zu vergiften und sie wie durch ein Wunder überlebte. Sie schreibt darüber, wie damals, im Jahr 2004, fast alle Journalisten über das wahre Bild der Geschehnisse in Beslan gelogen haben, dass niemand das Vorgehen der Spezialdienste kritisierte, infolge dessen beinahe zweihundert Kinder starben. Nur ein Journalist der ZeitungIswestija berichtete offen über die Geschehnisse und wurde sofort gefeuert. Im letzten Absatz schreibt Politkowskaja: »Wir rasen zurück in den sowjetischen Abgrund, in ein Informationsvakuum, das den Tod durch unsere eigene Unwissenheit heraufbeschwört. Alles, was wir haben, ist das Internet, wo es noch freien Zugang zu Informationen gibt. Ansonsten gilt: Wenn Sie weiterhin im Journalismus arbeiten wollen, vergessen Sie nicht, dass Sie Putin gegenüber absolut unterwürfig sein müssen. Andernfalls droht der Tod, die Kugel, Gift oder ein Prozess – je nach dem, was unsere Spezialdienste, Putins Wachhunde, für richtig halten.«

Politkowskaja wurde an Putins Geburtstag am 7. Oktober 2006 im Aufzug ihres Wohngebäudes im Zentrum Moskaus erschossen. Die Person, die den Mord angeordnet hat, wurde nie gefunden. Und sie war nicht das einzige Opfer von Putins Regime. Die internationale Organisation Reporter ohne Grenzen führt an, dass Russland bei der Zahl der ermordeten Journalisten in Europa führend ist. Seit 2001 wurden in Russland mindestens 37 Medienmitarbeiter umgebracht.

Jeder, der seither versuchte, d