Einleitung
Die internationale Harmonisierung des geistigen Eigentums unter Loslösung vom Territorialitätsprinzip war in den vergangenen Jahrzehnten Gegenstand zahlreicher Bemühungen in internationalen Institutionen und Foren. Den substanziellsten Beitrag bildet hierbei das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights, sog. TRIPs-Abkommen) im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO), welches als Annex 1C zumMarakesh-Agreement1 den für jeden Mitgliedstaat der WTO verbindlichen immaterialgüterrechtlichen Rahmen bildet. Zeitgleich dazu entwickelte sich eine parallele Praxis von bi- bzw. polylateralen Freihandelsverträgen, welche aktuell das internationale Wirtschaftsrecht beherrscht. Sowohl das europäische2 als auch das amerikanische Freihandelsrecht integriert speziell das Patentrecht betreffende Bestimmungen als Teil ihrer facettenreichen Handelsagenden. Hierbei fällt auf, dass sich diese auf zwei ganz konkrete Wirtschaftsbranchen bzw. -sektoren fokussieren: Zum einen Arzneimittel und zum anderen Pflanzenschutzmittel. Für beide Wirtschaftssektoren sehen die Freihandelsabkommen (FTAs) diverse Schutzstandards vor, deren Konzeption das welthandelsrechtliche Schutzniveau im Rahmen des TRIPs-Abkommens übertreffen (sog. TRIPs-Plus Standards).
Die Interferenzen von Patentrechten innerhalb von Freihandelsverträgen und dem TRIPs-Abkommen sind verschiedentlich und unter individuellen Aspekten in der weltweit vorhandenen Rechtsliteratur reflektiert worden.3 In diesem Rahmen ist indes nicht nur die evolutive Betrachtung von Patentstandards in Freihandelsabkommen als rechtsmethodischer Ansatz mit seinem ideengeschichtlichem Fundament, sondern auch der Vergleich von europäischen und amerikanischen Patent-Klauseln als solchen bislang kaum4 und nur inkohärent in der wissenschaftlichen Bearbeitung berücksichtigt worden. Über jene Betrachtungen hinaus hat sich seitdem der Kanon der Freihandelsverträge in den vergangenen Jahren in signifikanten Aspekten verändert bzw. erweitert. Die Diskussionen haben sich daneben thematisch bislang fast ausschließlich im arzneimittelrechtlichen Bereich erschöpft, wohingegen Pflanzenschutzmittel trotz ihrer immensen Bedeutung fast gar nicht juristisch wahrgenommen worden sind. Wenngleich der Grund hierfür in der weltweit diskutierten Frage nach dem notwendigen Maß des Schutzes der öffentlichen Gesundheit bekannten Diskurses (sog.Public Health-Diskussion) traditionell – und aufgrund der COVID-19-Pandemie wieder hochaktuell5 – im arzneimittelrechtlichen Kontext liegt, wird allerseits nicht berücksichtigt, dass auch Pflanzenschutzmittel vergleichbaren Schutzbestimmungen unterworfen sind und ähnlich weitreichende Problemstellungen provozieren. Die Interessenlagen sind in beiden Branchen vergleichbar. So kollidieren die Interessen von Unternehmen, die forschen, innovativ agieren und neue Produkte entwickeln mit den Interessen derjenigen, die entsprechende Produkte (nur) gesetzeskonform nachahmen: Innovativen Unternehmen als Originalherstellern liegt daran, ihre Forschungs- und Entwicklungskosten über den zeitweiligen Immaterialgüterrechtsschutz zu amortisieren und so einen Anreiz zur Forschung zu haben, während Hersteller von Nachahmerpräparaten (Generikahersteller) derartige Kosten kaum tragen müssen. Nach Ablauf der immaterialgüterrechtlichen Schutzfristen werden die jeweiligen Produkte den Gesetzen der freien Marktwirtschaft unterworfen. Nachahmer vermögen sodann mangels Forschungsaufwandes ihre Produkte in der Regel günstiger anzubieten. Die Reichweite der jeweiligen immaterialgüterrechtlichen Schutzstandards entfaltet konkreten Einfluss auf den Zeitpunkt, zu dem nachgeahmte Produkte auf den Markt gebracht werden können. Damit einher geht die Frage nach erschwinglicher und flächendeckender Versorgung mit den entsprechenden Produkten. Somit stehen Innovationsschutz und der Schutz der öffentlichen Gesundheit bzw. Nahrungsversorgung durch Zugang zu solchen Produkten in einem natürlichen Spannungsverhältnis zueinander. In Abgrenzung zum bisherigen Stand der Wissenschaft nimmt diese Arbeit daher nicht zuletzt auch TRIPs-Plus Schutzklauseln für Pflanzenschutzmittel