: Max Bentow
: Eulenschrei Ein Fall für Carlotta Weiss und Nils Trojan - Psychothriller
: Goldmann
: 9783641309244
: Ein Fall für Carlotta Weiss und Nils Trojan
: CHF 9.90
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 496
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eine Frau, ermordet in einem Baumhaus. Ein männliches Opfer, getötet in seinem Auto. Eine Schauspielerin, tot aufgefunden in ihrer Badewanne. Profilerin Carlotta Weiss und Kommissar Nils Trojan tappen im Dunklen: was ist die Beziehung zwischen diesen Menschen, die einem scheinbar wahllos wütenden Mörder zum Opfer gefallen sind? Einen ersten Hinweis erhalten sie, als auch noch der Maler Robert Lumen gewaltsam ums Leben kommt: auf dem Speicher seines Hauses ist das Bildnis einer mysteriösen jungen Frau mit einer Eule versteckt. Ist sie das Bindeglied zwischen den Opfern? Als Carlotta sich wie die Porträtierte kleidet und ein zwielichtiges Etablissement aufsucht, das Lumen und die Frau möglicherweise verbunden hat, kommt sie dem Täter gefährlich nahe. Aber in welch tödlicher Gefahr sie wirklich schwebt, begreift sie erst im letzten Moment ...

Max Bentow wurde in Berlin geboren. Nach seinem Schauspielstudium war er an verschiedenen Bühnen tätig. Für seine Arbeit als Dramatiker wurde er mit zahlreichen renommierten Preisen ausgezeichnet. Seit seinem Debütroman »Der Federmann« hat sich Max Bentow als einer der erfolgreichsten deutschen Thrillerautoren etabliert, alle seine Bücher waren große SPIEGEL-Bestsellererfolge.

EINS


SONNTAG, 19. NOVEMBER, ABENDS


Er mochte die Zeit, wenn es draußen dunkel wurde. Stille herrschte in seinem Atelier. Nur der Wind war zu hören, der leise ums Haus strich. Er liebte die intensiven Momente am Ende des Tages, da sich die Gedanken beruhigten und es nur ihn und sein Werk gab. Er tauchte in die Farben auf der Leinwand ein und war so fokussiert, dass sich das Bildnis, mit dem er beschäftigt war, wie von selbst erschuf.

Es störte ihn nicht, bei künstlichem Licht zu arbeiten. Er hatte verschiedene Tageslichtlampen aufgestellt, sie waren so ausgerichtet, dass keine Schatten fielen. In diesem Raum, etwa fünfzehn mal zehn Meter breit, verbrachte er nun schon seit vielen Jahren seine Abende. Er hatte den Überblick über die genaue Anzahl seiner Gemälde verloren. Nur seine Frau und sein Galerist führten darüber Buch. Er schätzte sich glücklich, von seiner Arbeit leben zu können. Doch letztlich war es ihm egal.

Robert Lumen war ein Kunstmaler, der ganz in seinem Werk aufging. Er saß kerzengerade auf dem Schemel vor der Staffelei, daneben ein Spiegel, in den er gelegentlich einen prüfenden Blick warf.

Mit einem Kohlestift hatte er eine Woche zuvor die Umrisse seines Gesichts auf die Leinwand aufgetragen. Danach hatte er lange auf dem Hocker gebrütet, dessen Holz vom stundenlangen Sitzen blank poliert war, und auf Eingebung gewartet. Es brauchte einige Zeit, bis er ein Gefühl für die richtige Farbgebung entwickelte.

Nun mischte er die Farben an, in der Linken die Palette, in der Rechten einen Rosshaarpinsel, und trug sie auf, gefühlvoll strichelnd, dann wieder großflächig markierend. Seine Bewegungen hatten Schwung, seine Mimik war hoch konzentriert.

Noch nie hatte er ein Porträt von sich selbst erschaffen. Doch nun, im Alter von Mitte fünfzig, hielt er es für an der Zeit, sein Gesicht für die Ewigkeit zu konservieren. Es war kantiger geworden, die Wangen schmaler, die Stirn höher, sein frühzeitig ergrautes Haar war längst schlohweiß.

Er fand es beschämend, andere Männer in den Fünfzigern hatten zum Teil noch dunkle Haare. Mit einem eleganten Silber wäre er schon zufrieden. Während er den Pinsel führte, zwang er sich, liebevoller über sein Äußeres zu denken, doch die großen Ohren störten ihn, die Wulst über seinen Augen, die buschigen Brauen.

Seine Frau Karla wurde nicht müde zu betonen, er habe einen Charakterkopf.

Lumen mengte Blau für seine Augen in das Gemälde, vermischte es mit Weiß. Die Augen waren das Schwierigste, das wusste er aus langjähriger Erfahrung.

Werk für Werk mühte er sich ab, die Menschen, die er porträtierte, mit einem besonderen Augenaufschlag abzubilden, der ihn seit seiner Jugend beschäftigte.

Es war der Grund, weshalb er Kunst studiert hatte.

Auf all seinen Bildern schienen seine Modelle entrückt, verloren und doch wie erlöst zu sein