VORWORT
Als im August 2018 die Nachricht in den späten Hochsommer platzte, dass Jan Ullrich nach seinen Drogeneskapaden und Tätlichkeiten sowohl in Mallorca als auch in Frankfurt verhaftet worden war, lag meine letzte Frankreichrundfahrt als Reporter bereits zehn Jahre zurück. Ich drehte zwar selbst noch am Wochenende mit dem Rennrad meine Runde und schaute auch immer mal wieder rein, wenn die Tour de France lief. Doch beruflich bewegte ich mich längst in einem vollkommen anderen Milieu.
So saß ich gerade in meiner New Yorker Wohnung an einer Reportage über das marode U-Bahn-Netz der Stadt und bereitete Interviews zum 50. Jahrestag der Stonewall-Riots vor – der Geburtsstunde des globalen Kampfes für die Rechte Homosexueller. Mittlerweile arbeitete ich von Big Apple aus als USA-Korrespondent, der Radsport war zur Privatangelegenheit geworden.
Die Nachrichten aus Deutschland rissen mich jedoch für ein paar Tage schockartig aus meinem New Yorker Leben heraus. Jan Ullrichs Schicksal versetzte mich wieder zurück in jene Zeit, in der Radsport mein Leben war. Rund zehn Jahre lang drehte sich für mich alles um diesen Sport, ich bin als Reporter von März bis Oktober mit dem Radsportzirkus mitgetingelt und kannte den Betrieb sowie die handelnden Personen in- und auswendig.
Diese Zeit fiel ziemlich genau mit der Profikarriere von Jan Ullrich und seiner Rivalität mit Lance Armstrong zusammen. Eine meiner ersten Reportagen als Radsportjournalist war ein Artikel für das RadsportmagazinTOUR über den Werdegang von Jan Ullrich und die Grundlagen für seinen Tour-de-France-Sieg im systematischen Trainingsaufbau in der DDR.
Zweifelsohne habe ich diesen Abschnitt meines Berufslebens vor allem Jan Ullrich zu verdanken. Wenn er nicht das Radsportinteresse in Deutschland entfacht hätte, dann hätten mich ni