1Kate
So lebe ich jetzt: Mein gesamter irdischer Besitz steckt in einem vertrauenswürdigen, wenn auch nur auf drei Rädern rollenden, wackligen Koffer; mein Kontostand beträgt haargenau sieben Dollar und fünfundsiebzig Cent; und ich habe keine Ahnung, wie es weitergehen soll.
Das habe ich jetzt davon, dass ich mein monatliches Horoskop ernst nehme.
Die Sterne stehen günstig, und du schlägst unbekannte Pfade ein. Veränderung schafft neue Möglichkeiten. Vergangene Wunden bieten Weisheit. Die Zukunft erwartet dich. Die Frage ist: Bist du tapfer genug, dich auf sie einzulassen?
Dieses verdammte Horoskop.
Ich strecke mich wie ein Seestern auf dem Bett meiner Schwester Juliet aus, starre in mein Gesicht in dem direkt danebenstehenden Spiegel und frage es: »Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?«
Mein Spiegelbild hebt eine Braue, als wolle es sagenDas fragst du mich?
Ächzend taste ich auf der Matratze herum, bis ich mein ramponiertes, aber noch funktionierendes Handy finde, über den Bildschirm wische und Musik anmache. Hier im Zimmer ist es zu still, und meine Gedanken sind zu laut.
Kurz darauf ertönt der erste Song von meiner Playlist mit dem passenden NamenGet Ur Shit2Gether. Aber es hilft nichts, auch die kraftvollste feministische Hymne kann nichts daran ändern, dass ich immer wieder dazu neige, erst zu handeln und dann zu denken, dass ich mich so schnell von einer Herausforderung verleiten lasse, dass eine kleine Familienkrise mit einem leicht ironisch klingenden Horoskop zusammenfällt – und schaut her, wo ich gelandet bin:
Zu Hause, wo ich schon seit beinahe zwei Jahren nicht mehr war und seit meinem Abschluss nie länger als eine Woche geblieben bin. Genauer gesagt im Zimmer meiner älteren Schwester Juliet, die gerade über den Atlantik fliegt, auf dem Weg in ihren Urlaub in einer urigen Hütte in den schottischen Highlands, die ich gebucht habe. Eine Hütte, die, wie mir schnell klar wurde, nachdem ich mir die Schulter gebrochen hatte und meine üblichen fotojournalistischen Aufträge erst mal an andere abgeben musste, für mich zu teuer war (denn weder Planen noch Sparen war je meine Stärke).
Da ich mir eine Hütte gemietet hatte, die ich mir nicht leisten konnte und Juliet ganz dringend einen Tapetenwechsel brauchte, war ein Tausch natürlich die gute Lösung. Aber jetzt, allein in der Wohnung meiner Schwester und mit jeder Menge Zeit zum Nachdenken, bin ich mir nicht mehr so sicher.
Als würde sie meine Gedankengänge erahnen, leuchtet auf dem Handy eine Nachricht von Bea, meiner zweiten älteren Schwester und Juliets Zwillingsschwester, auf. In den kurzen Sätzen spüre ich, wie glücklich sie ist, und eine Welle der Gelassenheit durchströmt mich, erinnert mich beruhigend daran, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Schließlich kann Jules so ihre dringend benötigte Auszeit nehmen und Bea sich mit ihrem Freund versöhnen.
BEEBEE: Hey, KitKat. Sorry, dass ich gleich versc