: Andreas Weber
: Indigenialität
: Matthes& Seitz Berlin Verlag
: 9783751830171
: 1
: CHF 10.80
:
: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
: German
: 126
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Wir sind alle Wilde«, sagt Andreas Weber und verdeutlicht, dass unsere Zivilisation nicht nur die Indigenen kolonisiert hat, sondern auch unser eigenes Denken. Wenn wir die Welt wieder zu einem lebensspendenden Ort machen wollen, sollten wir das Indigene in uns selbst entdecken. »Radikale Demokratie«, »Ethik und Moral der Gemeinsamkeit«, »Gerechtigkeit«, »Ökologie der Gabe« und »Nachhaltigkeit« - um diese Begriffe kreist Webers philosophisches Plädoyer für einen offenen Austausch in einer Welt der Gegenseitigkeit, die gerade erst wieder entdeckt wird: Physiker, Biologen und Geisteswissenschaftler beginnen den ganzheitlichen Kosmos angesichts der ökologischen und gesellschaftlichen Krisen neu zu begreifen und alte Gewissheiten abzustreifen. Sich auf diese neue Weltsicht einzulassen, bietet die Chance, lebendiger Teil einer ganzheitlichen Wirklichkeit zu werden und eine ökologische Lebenskunst zu verwirklichen.

Andreas Weber, 1967 geboren, ist Biologe und Philosoph. Er promovierte über Natur als Bedeutung. Versuch einer semiotischen Theorie des Lebendigen. Seit 1994 schreibt er u.a. für GEO, Merian, ZEIT, Frankfurter Allgemeine Zeitung und National Geographic mit Preisen ausgezeichnete Reportagen und Essays. Er lebt als Schriftsteller, Journalist, Dozent und Politikberater in Berlin und Italien.

Das Denken dekolonialisieren


»Die westliche Metaphysik ist Quelle und Ursprung jedes Kolonialismus.«

Eduardo Viveiros de Castro7

Im Frühsommer 2018 stellte ein Ethik-Lehrer an einem Berliner Gymnasium eine knifflige Aufgabe. Die schriftliche Hausarbeit kam am Ende eines Lernblocks, in dem sich die Schüler mit einer zentralen Idee der Aufklärung beschäftigt hatten: dem Gesellschaftsvertrag. Der englische Philosoph Thomas Hobbes hatte seine Gedanken dazu 1651 in seinem BuchLeviathan formuliert, das immer noch zu den wichtigsten Werken der politischen Philosophie zählt.8 Es ist die Gründungsurkunde der modernen Auffassung, wie Menschen zusammenleben sollen – mit ihresgleichen, mit den anderen Wesen, mit der Natur.

Der Titel, den Hobbes gewählt hat, ist der Name eines mythologischen Ungeheuers. Es steht sinnbildlich für die rohe Natur, die ihre Kinder frisst, »rot an Zahn und Klaue«9, triebgesteuert, grausam – wenn wir Menschen dieses Ungeheuer nicht durch Regeln, die wir mit Vernunft und Klugheit ersinnen, in die Schranken weisen. Auch das ursprüngliche menschliche Zusammenleben, so Hobbes, folgt diesem Diktat der Gewalt. Das ist in seinen Augen der »Naturz