: Yannick Morath
: Die Haftung von Zertifizierungsgesellschaften Eine Untersuchung aus unionsrechtlicher, rechtsvergleichender und kollisionsrechtlicher Perspektive
: Fachmedien Recht und Wirtschaft
: 9783800596737
: Wirtschaftsrecht international
: 1
: CHF 68.40
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: Recht
: German
: 500
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Zertifikate von privatrechtlich organisierten Zertifizierungsgesellschaften über Produkte, Dienstleistungen und Unternehmen spielen im heutigen Wirtschaftsleben eine zentrale Rolle. Sie bieten Verbrauchern, Handelspartnern und staatlichen Aufsichtsbehörden eine zuverlässige Informationsquelle über den zertifizierten Gegenstand. Im Falle gesetzlich vorgeschriebener Zertifizierungen bilden sie regelmäßig die Voraussetzung für den Zugang zum Binnenmarkt. Die hohe Komplexität der Konformitätsprüfung wirft Fragen nach der zivilrechtlichen Haftung der Zertifizierungsgesellschaften auf. Dabei muss sowohl die Haftung gegenüber den Auftraggebern als auch gegenüber vertragsfremden Dritten in den Blick genommen werden. Aufgrund bestehender Haftungsunterschiede im nationalen Recht kommt der international-privatrechtlich n Behandlung derartiger Fälle eine zentrale, oftmals fallentscheidende Bedeutung zu. Angesichts der grenzüberschreitenden Tätigkeit der Zertifizierungsgesellschaften sowie der anhaltenden Beliebtheit des Instruments der privaten Zertifizierung besteht in der Praxis ein großes Interesse an Rechtssicherheit hinsichtlich dieser haftungs- und kollisionsrechtlichen Fragestellungen.

Dr. Yannick Morath studierte Rechtswissenschaft in Freiburg und Beijing, China. Seine Doktorarbeit entstand während seiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Jan von Hein am Institut für ausländisches und internationales Privatrecht der Universität Freiburg. Die Entstehung der Arbeit wurde durch ein Stipendium der Stiftung der Deutschen Wirtschaft (sdw) gefördert.

II. Grundlegende Elemente und Strukturen


1.Gegenstände der Zertifizierung

Zertifizierung kann theoretisch überall dort stattfinden, wo es möglich ist, einen konkreten Prüfgegenstand und für diesen geltende Maßstäbe und Standards zu definieren. Der Anwendungsbereich dieses Instruments ist damit denkbar groß.32 Ein klassisches Feld der Zertifizierung ist das Produktsicherheitsrecht, das heute weitgehend europarechtlich harmonisiert ist.33 Gegenstände solcher Zertifizierungssysteme können Baumuster oder die Produkte selbst sein, also beispielsweise Maschinen und technische Anlagen, Bauprodukte, Aufzüge, Medizinprodukte oder Spielzeug. Ferner können auch unkörperliche Gegenstände wie Software, Finanzprodukte oder Unternehmen zertifiziert werden. Regelmäßig kommt es im Produktsicherheitsrecht auch zu einer Zertifizierung von Qualitätsmanagementsystemen,34 also von Prozessen und Verfahren der Qualitätssicherung. Solche Zertifizierungen sind in der Praxis in den unterschiedlichsten Branchen sehr stark verbreitet. Ein weiteres Beispiel für die Zertifizierung eines unternehmensinternen Prozesses ist etwa die Einhaltung des Datenschutzes bei der Verarbeitung sensibler Daten35 oder die Beachtung von Umwelt- und Sozialstandards.36 Auch die Normkonformität von Dienstleistungen kann Gegenstand einer Zertifizierung sein,37 bspw. im Tourismus oder in der Finanzbranche. Ferner ist auch denkbar, dass Personen auf bestimmte Eigenschaften überprüft werden, etwa wenn diese in Unternehmen selbst für die Überwachung von Verfahren und Produkten zuständig sind.38 Da sich die Zertifizierung als Instrument zur Regulierung innovativer Technologien bewährt hat, wird in jüngerer Zeit außerdem die Zertifizierung von Algorithmen zur Risikosteuerung im Bereich künstlicher Intelligenz diskutiert.39

2.Zertifizierungsgesellschaften

Oftmals sieht der regulatorische Rahmen vor, dass sowohl öffentliche Stellen, d.h. öffentliche Unternehmen, Beliehene, Ämter oder Behörden, als auch private Anbieter zur Durchführung von Zertifizierungen akkreditiert und zugelassen werden können.40 Typisch und am weitesten verbreitet sind aber privatrechtliche Zertifizierungsunternehmen.41 Sie werden üblicherweise gegen Entgelt und auf der Grundlage eines privatrechtlichen Vertrages mit dem Unternehmen, das eine Zertifizierung benötigt, tätig.42 Die Möglichkeit grenzüberschreitender Akkreditierungen erlaubt in vielen Fällen die Einschaltung ausländischer Zertifizierungsgesellschaften. Auch im Falle gesetzlich vorgeschriebener Pflichtzertifizierungen können Unternehmen regelmäßig zwischen mehreren nationalen und internationalen Anbietern wählen.

Die zahlreichen Einsatzfelder der Zertifizierung haben zu einem stark ausdifferenzierten und hart umkämpften Markt geführt, auf dem hochspezialisierte Zertifizierer neben weltweit und branchenübergreifend tätigen Prüfgesellschaften ihre Dienste anbieten.43 Zu den Marktführern, die weltweit Tochtergesellschaften betreiben, gehören u.a. die deutschen Unternehmen Dekra SE, TÜV Süd AG und TÜV Rheinland AG, ferner die französische Bureau Veritas S.A., die schweizerische SGS-Group sowie Lloyds Register aus Großbritannien. Da sie auch allgemeine Beratungsdienstleistungen erbringen, werden die Zertifizierungstätigkeiten zum Teil in eigens hierfür gegründete Gesellschaften ausgegliedert.

3.Der Zertifizierungsprozess

Die Zertifizierung setzt sich im Kern aus zwei aufeinander aufbauenden Prozessen zusammen: der Überprüfung der Normkonformität des Zertifizierungsgegenstandes und schließlich deren Bescheinigung, also der Ausstellung des Zertifikats.44 Zertifizierungsgesellschaften werden nach Abschluss eines Vertrages mit ihren Kunden tätig, der diese beiden Aspekte der Zertifizierung regelt.45 Teilweise ergeben sich die Pflichten der Zertifizierungsgesellschaft bzw. die Anforderungen an den Zertifizierungsprozess aber auch aus dem Gesetz. Beachtet werden muss, dass die Prüfungstätigkeit und die Ausstellung des Zertifi