: Jan-Gero Alexander Hannemann, Robert Müller
: Automatisierte Governance in der Ära der Blockchain-Technologie Decentralized Autonomous Organizations (DAOs), Smart Contracts und KI im Einklang
: Fachmedien Recht und Wirtschaft
: 9783800596522
: & Recht
: 1
: CHF 79.20
:
: Steuern
: German
: 289
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Entwicklung der Blockchain-Technologie wird weltweit mit großem Interesse verfolgt, da sie in zahlreichen Wirtschaftsfeldern aufgrund ihrer revolutionären, aber auch disruptiven Eigenschaften große Veränderungen ermöglicht. Die Innovationskraft der Blockchain-Technologie reicht inzwischen über Krypto-Währungen deutlich hinaus. Heutzutage generieren Milliarden von IoT-Sensoren, IoT-Applikationen und Maschinen eine hohe Anzahl von Echtzeitdaten und Informationen. Wir steuern auf eine Zukunft zu, in der intelligente Maschinen - gesteuert von künstlicher Intelligenz mittels (Mikro-)Transaktionen durch Blockchain-basierte 'Decentralized Autonomous Organisations' (DAOs) - ihre transformative Wirkung entfalten können. Es sind sogenannte Smart Contracts, also der Wesenskern einer jeden DAO, welche die automatisierte Steuerung von Operationen über eine programmierbare Geschäftslogik ermöglichen. Man muss sich nicht mehr auf eine zentrale Infrastruktur verlassen, sondern ist dezentral aufgestellt. So verringert sich das Risiko von Cyberangriffen. Zukünftig wird eine neue Welt autonomer Systeme entstehen, die auch die Robotik u.ä. umfasst. DAOs können darüber hinaus neue Organisations- sowie Kooperationsmöglichkeiten für Menschen und Organisationen bieten. Das Buch erläutert aktuelle Fragestellungen im Bereich der DAOs, insbesondere im Gesellschafts-, Steuer-, und Aufsichtsrecht und diskutiert mögliche Lösungsmöglichkeiten für rein digital existierende DAOs sowie die Interaktion von KI und DAO.

Jan-Gero Alexander Hannemann, LL.B. hat Rechtswissenschaften und Digital Media u.a. in Oxford, Singapur und Sydney studiert und sich dabei auf Blockchain-Technologie (insbesondere DAOs, Automatisierung, IoT, NFTs, Künstliche Intelligenz, Metaverse und Web3 Anwendungen) sowie Immaterialgüterrecht (Patentrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht) und Gesellschaftsrecht (Start-ups) spezialisiert. Von der European Carbon Offset Tokenization Association 'ECOTA' wird er als ausgewiesener Experte im Bereich Blockchain und Klimawandel geführt. Zahlreiche seiner Publikationen begleiteten diesen Weg. Dr. Robert Müller, LL.M. hat zur Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung mit Hilfe der Blockchain-Technologie promoviert und arbeitet und forscht seit mehreren Jahren im Bereich innovativer Technologien mit einem besonderen Fokus auf der Blockchain-Technologie. Er beschäftigt sich intensiv mit der Besteuerung und Regulatorik von Krypto-Transaktionen, NFT, DAO, der Tokenisierung von Assets sowie assoziierter Rechtsfragen bezüglich der Governance von Growth-Companies

IV. Geschichte der DAO


48

Das Konzept einer DAO ist nicht ganz neu. So gab es schon vor den DAOs sog. Chaordische Organisationen wie z.B. das Unternehmen VISA, die man als Vorläufer der DAOs verstehen kann.96 Natürlich hat sich das Organisationsmodel von VISA über die Jahre verändert und die Ausgangsstrukturen aus den 1970er Jahren hinter sich gelassen.97 Die erste funktional operierende DAO, die größere Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte, war das Projekt „The DAO“.98 Bei diesem Projekt handelt es sich um den bis dato bekanntesten, am besten dokumentierten und folgenreichsten Blockchain-Hack, der jemals stattgefunden hat.99 Dass die hinter diesem Projekt stehende Unternehmung ihren Ausgangspunkt 2016 in Deutschland, Sachsen, hatte100, ist mindestens so überraschend wie die weitreichenden Folgen des Hacks für das zweitgrößte Blockchain-Netzwerk Ethereum, das in der Konsequenz in einen Hard Fork in zwei verschiedene Netzwerke (Ethereum und Ethereum Classic) aufgespalten wurde (vgl. Abbildung Nr. 4).

Abbildung Nr. 4: Ablauf eines Hard Fork am Beispiel der Aufspaltung von Bitcoin in Bitcoin und Bitcoin Cash101
Diese Grafik ist auf das Ethereum-Projekt übertragbar. Sie zeigt, wie sich das Bitcoin-Netzwerk in einen Hard Fork am 01.08.2017 in Bitcoin und Bitcoin Cash aufgespalten hat. Die Nutzer, die den Bitcoin Hard Fork durchführten, taten dies, um die Transaktionsgeschwindigkeit von Bitcoin Cash zu erhöhen.

49

Im April 2016 veröffentlichte der ProgrammiererChristopher Jentzsch ein Whitepaper102, in dem er das Projekt „The DAO“ näher konkretisierte. „The DAO“ lässt an eine Venture Capital Gesellschaft denken oder einen dezentralen Investment-Fonds103, der Gelder von seinen Mitgliedern im Tausch für Governance-Token einsammelt.104 Bei Token handelt es sich um eine Art Wertmarke, auf die ein bestimmtes Recht verbrieft ist. Ein Governance-Token ermöglicht es dem Besitzer, an digitalen Abstimmungsverfahren teilzunehmen.105 Die Governance-Token von „The DAO“ waren fungible (frei übertragbar) und konnten anonym gehandelt werden.106 Bei „The DAO“ ging es darum, gemeinschaftlich mittels einer einfachen Mehrheitsabstimmung darüber zu entscheiden, wie das eingesammelte Geld bestmöglich gewinnbringend angelegt werden sollte.107 Das Projekt wurde ursprünglich für eine bessere Produktentwicklung geschaffen.108 Die Projekte, in denen „The DAO“ das eingeworbene Geld investieren sollte, wollte man so stärken und auch gleich einen Anteil an dem Projekt erwerben. Es war klar, dass nicht die DAO die Projekte selbst umsetzt, sondern hier lediglich den Token-Haltern als Vehikel zur Investitionsentscheidung dienen sollte. Um ein Produkt am Markt zu platzieren, benötigt man schnelle Entscheidungen, weswegen eine Top Down Struktur besser ist und bei den Projekten, in die „The DAO“ das Geld investiert hätte, auch gewünscht war.

50

Es ging vordergründig darum, anschließend von vereinbarten Rückzahlungen zu profitieren.109 Zwar war das originäre Ziel der Deutschen Programmierer, ihr eigenes Unternehmen (dieSlock.It UG) mittels einer Abstimmung der Governance-Token-Halter zu finanzieren110, jedoch hatte jeder Governance-Token-Besitzer die Möglichkeit, auch eigene Vorschläge zur Abstimmung einzubringen, sofern diese mittels Ethereum hätten bezahlt werden können.111 Beim Erreichen des benötigten Quorums hätte der zugrunde liegende Smart Contract die Steuerung der Kapitalflüsse nach erfolgreicher Abstimmung automatisiert orchestrieren sollen.112 Dabei hatte „The DAO“ zwei Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. Zum einen gab es eine Art Kurator (Prüfer), der eine Liste von potenziellen Investitionsprojekten verwaltete und von den Mitgliedern jederzeit abgewählt werden konnte.113 Zum anderen wurde der investierte Ether mit einer Mindesthaltedauer von ca. 28 Tagen in einer sog. Child-DAO zwischengeparkt und konnte nicht unmittelbar verwendet werden.114 Da die rechtliche Lage auch für die Programmierer nicht ganz klar war, einigte man sich darauf, dass man den Code einfach öffentlich frei verfügbar macht und die Organisation dann von Dritten auf der Ethereum-Blockchain aktiviert werden kann.115 Schließlich wählten die Programmierer eine der so durch Dritte geschaffenen DAOs aus, investierten in sie und bewarben sie mittels ihrer deutschenSlock.it UG intensiv.116 Nachdem „The DAO“– die aus 900 Zeilen programmiertem Code bestand – initialisiert wurde, sammelte das Projekt innerhalb kürzester Zeit 11.994.260,98 ETH ein (was ca. 14 % der gesamten Kryptowährungsbestände der Ethereum-Plattform entsprach), die damals einen Wert von mehr als 160 Mio. USD hatten.117 Das bis in die Gegenwart „größte Crowdfunding Projekt aller Zeiten“ war geschaffen.118 Ein „digitaler Bankräuber“ schaffte es am 17.06.2016, von diesem ohnehin schon gewaltigen Betrag ca. 3.689.577 ETH zu entwenden, was ca. 30 % der gesamten gesammelten Summe entsprach.119 Der damalige Kurswert lag bei ca. 50 Mio. USD.120 Dies wären zum H