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Paedyn
Eine zähflüssige, warme Flüssigkeit rinnt über meinen Arm.
Blut.
Seltsam, ich kann mich gar nicht erinnern, dass mich der Wachmann mit seinem Schwert erwischt hat, bevor meine Faust sein Gesicht traf. Obwohl er ein Blitz ist, war es ihm offenbar nicht möglich, schneller zu sein als mein rechter Haken auf sein Kinn.
Der Geruch von Ruß steigt mir in die Nase und zwingt mich, mir die dreckige Hand übers Gesicht zu halten, um ein Niesen zu unterdrücken.
Das wäre eine wirklich jämmerliche Art, erwischt zu werden.
Als ich sicher bin, dass meine Nase nicht die Aufmerksamkeit der Imperialen erregen wird, die unter meinem Versteck herumlungern, drücke ich die Hand wieder an die schmutzige Wand, an die ich auch den Rücken presse. Meine Füße sind gegenüber verkeilt. Nach einem tiefen Atemzug, der mich fast am Ruß ersticken lässt, mache ich mich erneut an den langsamen Aufstieg. Meine Schenkel brennen fast so sehr wie meine Nase, während ich meinen Körper zwinge, sich nach oben zu schieben, immer noch gequält vom Niesreiz.
Ich hätte nicht gedacht, dass mein Abend damit enden würde, dass ich durch einen Schornstein krieche. Ich schwitze in dem engen Schacht und muss gegen meine Angst anschlucken, während ich mich immer höher schiebe, begierig darauf, die rußverkrusteten Wände gegen eine sternenklare Nacht einzutauschen. Als mein Kopf endlich über die Kante lugt, sauge ich gierig die schwüle Luft ein, bevor ich mich über den Rand ziehe. Sofort attackiert mich eine neue Geruchsmischung, viel unangenehmer als der Rußgeruch, der an meinem Körper, in meiner Kleidung und meinem Haar klebt. Der Gestank nach Schweiß, Fisch, Gewürzen … und offenbar auch irgendeiner Art von Körperflüssigkeit … verbinden sich, um das Miasma der Beuteallee zu schaffen.
Ich kauere auf dem Schornstein und kneife die Augen zusammen, um meinen klebrigen Arm zu inspizieren. Fast hätte ich das vergessen, da der übliche beißende Schmerz fehlt, der gewöhnlich mit Schwertwunden einhergeht.
Ich reiße einen Streifen Stoff von meinem verschwitzten Trägerhemd ab und presse ihn auf meinen Arm.
Adena wird mich umbringen, weil ich ihre Näharbeit zerstört habe. Schon wieder.
Zu meiner großen Überraschung bleibt der vertraute Schmerz auch dann aus, als ich mit dem rauen Stoff über meine Haut reibe, um die klebrige Flüssigkeit zu entfernen.
Und da rieche ich es.
Honig.
Derselbe Honig, der aus den klebrigen Brötchen quillt, mit denen ich die vielen Taschen meiner Weste gefüllt habe, läuft mir auch über den Arm – und ich dachte, es wäre Blut. Ich seufze, entgeistert über mich selbst.
Dennoch ist es eine willkommene Überraschung. Selbst Honig im Stoff ist besser, als Blut auswaschen zu müssen.
Ich atme tief durch, dann spähe ich über die bröckelnden, heruntergekommenen Gebäude hinweg, die von den flackernden Laternen an der Straße in seltsame Schatten gehüllt werden. Es gibt nicht viel Strom hier in den Slums, aber der König hat uns gnädig ein paar Laternen gegönnt. Dank der Volts und den Scholaren, die ihre Fähigkeiten eingesetzt haben, um ein Stromnetz zu schaffen, muss ich mich mittlerweile mehr anstrengen, um mich im Dunkeln zu halten.
Je weiter man sich von den Slums entfernt, desto größer und schöner werden die Häuserreihen und Läden. Schuppen wandeln sich zu Häusern, aus Häusern werden Villen … und sie alle führen auf das einschüchterndste Gebäude überhaupt zu. Nur mit Mühe erkenne ich die hoch aufragenden Türme der königlichen Burg und die Kuppel der Schüssel-Arena, die sich daneben erhebt.
Mein Blick gleitet erneut über die breite, zwielichtige Straße, die sich vor mir erstreckt. Die Beuteallee ist das Herz der Slums. Von hier aus werden Verbrechen und Handel durch die Stadt gepumpt. Meine Augen folgen den Dutzenden anderen Gassen und Wegen, die von der langen Straße abgehen, verlieren sic