: Hanka Meves
: Die Komponistin von Köln Historischer Roman
: Emons Verlag
: 9783987071362
: Historischer Roman
: 1
: CHF 9.30
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 288
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das bewegende Schicksal zweier jüdischer Frauen zur Zeit des wirtschaftlichen und kulturellen Aufbruchs in Köln. Köln, um 1900. Maria und Franzi kennen sich seit ihrer Schulzeit. Doch ihre Wege trennen sich, als Maria sich verliebt und nach England zieht, wo sie eine Familie gründet und Musikerin werden will. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verflicht das Leben der beiden jungen jüdischen Frauen erneut miteinander. Zwischen Zerstörung, Angst und Wut versuchen sie, sich ihre Träume zu bewahren und trotz aller Widrigkeiten ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.

Hanka Meves arbeitet als Autorin und Journalistin in Köln. Sie hat ein Geschichts- und postgraduiertes Europastudium absolviert und schreibt Sachbücher sowie Kurz- und Kindergeschichten. Mit »Die Komponistin von Köln« legt sie ihren ersten historischen Roman vor.

Ein weiter Weg

Köln, 1888

»Hier entlang!«, rief Mariechen mir zu, als wir auf die Straße traten.

Ich richtete meinen Blick in die andere Richtung. »Ich dachte, du wohnst dort.«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich zeige euch was.«

Meine kleine Schwester Lea zupfte an meinem Rock. »Wir dürfen keinen Umweg gehen.«

Mariechen lachte. »Fünf Minuten.« Schon griff sie meine Hand und zog mich hinter sich her. Lea folgte uns widerwillig, als könnte sie uns mit ihrer Langsamkeit aufhalten.

Wir liefen vor bis zu dem breiten Streifen, durch den das Sonnenlicht fiel, das uns blendete, weil die alte Stadtmauer Stück für Stück abgerissen wurde. Dort erst warteten wir auf Lea, die sich bitterlich beschwerte.

»Das hier wird alles abgerissen«, trompetete Mariechen in das Jammern hinein. »Für eine Oper, ein Konzerthaus.« Sie hob begeistert die Arme. »Und ich spiele das erste Cello.« Sie fasste Lea und mich an den Händen und drehte sich mit uns im Kreis.

Und ich?

Bereits am ersten Schultag war mir ihr Lachen aufgefallen. Unweigerlich musste ich sie anstarren. Sie stand am Eingang der Schule und klopfte mit ihrem rechten Fuß einen Takt. Ihre Haare hatte sie – oder war es das Kindermädchen gewesen? – streng zurückgekämmt und zu einem Zopf geflochten. Doch die Locken versuchten der Strenge zu entfliehen. Ihr Kleid war von feinstem Stoff, die Rüschen lagen sorgfältig an den Puffärmeln und auf der Brust, ein aprikosenfarbenes Taillenband zog meinen Blick magisch an. Es passte wunderbar zum Blau des Rockes und zu ihren dunklen Augen. Dann schaute ich an mir hinunter und wieder hoch. Mittelblau, alles in einem Ton. Inzwischen war sie aus meinem Blickfeld verschwunden.

Es war ein kalter Frühlingstag. Die Sonne beleuchtete die engen Gassen nur spärlich, strahlte einmal auf dieses, einmal auf jenes Dreifensterhaus. Wir liefen an Kneipen und Geschäften vorbei, deren üppige Auslagen den Spaziergang verlängerten.

Lea und ich hatten viel Freude an dem zehnminütigen Weg zur neuen Schule. Wir dachten, dass die Tornister leicht wären, obgleich die Lederriemen in unsere Schultern schnitten. So wie sich unsere Ranzen leicht anfühlten, fühlte ich mich frei. Endlich kam ich aus der einzig erlaubten Elisenstraße heraus in die Welt. Bisher hatten wir sie nur in Begleitung verlassen dürfen.

Die Schaufenster am Rande des Wegs waren mit leckeren Kamellen gefüllt, mit Glasmurmeln, von denen wir nie genug bekommen konnten, und mit Stoffen, von denen die Bewohner dieser Stadt nie genug bekamen.

»Komm, komm schon!«, rief ich und trieb Lea zur Eile an. Sie ließ es geschehen, ohne die Augen von den Auslagen zu lösen, und lief mehr rück- als vorwärts. Es dauerte länger als die zehn Minuten, doch dann sahen wir das Eingangstor zu unserer Schule, der Evangelischen Höheren Töchterschule in der Antoniterstraße, davor warteten die Mädchen.

Die Bänke in unserem Klassenzimmer standen eng aneinandergedrängt. Die Wände waren bis zu unserer Augenhöhe mit einer tiefdunkelgrünen Ölfarbe geschützt. Dar