: Leopold Federmair
: Hiroshima Capriccios
: Otto Müller Verlag
: 9783701363100
: 1
: CHF 20.90
:
: Erzählende Literatur
: German
: 330
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Das neue Jahr tagt und die Spatzen erzählen alte Geschichtchen.' Das Neue und das Alte, das Zentrum und die Peripherie; das schrille, laute, das voll Urbane und die einsamen, weitläufigen Landschaften rund um Hiroshima: Leopold Federmair begibt sich als autobiografischer Erzähler seiner 'Capriccios' gehend, mit dem Fahrrad oder dem Boot auf 'Regionalreisen'. Das meist unbestimmte Ziel ist seine Stadt mit ihren Bezirken, Rändern, ihrem Außerhalb. Als 'Erforscher des Unscheinbaren' interessiert ihn das Normale und Kuriose im Alltäglichen. Das Frühere und Vergangene zu bewahren, gelingt ihm in vielfältigen Er-Gehungen, Er-Fahrungen: 'In Wort und Bild rette ich dies und jenes vor dem Verschwinden.' Der Blick des Europäers, der seit über 15 Jahren in Japan lebt, ist noch immer neu und neugierig. Er verzichtet auf Auto und Shinkansen, seine Welt ist langsam. Er lässt sich treiben, lässt den Zufall entscheiden, nimmt Abzweigungen und unbekannte Wege. Sein Schreiben tut es ihm gleich, es ufert aus, mäandert, kehrt zurück. Der literarische Ertrag dieser kleinen Unternehmungen sind die nunmehr vorliegenden 'Capriccios' - meist leichte, auch launische Stücke in Prosa und Lyrik.

Federmair, Leopold Geboren 1957 in Oberösterreich, Studium der Germanistik, Publizistik und Geschichte an der Universität Salzburg. Er ist als Schriftsteller, Essayist, Kritiker und Übersetzer tätig (Übersetzungen aus dem Französischen, Spanischen und Italienischen, u. a. Werke von Michel Houellebecq, José Emilio Pacheco, Francis Ponge). Ausgezeichnet u. a. mit dem Österreichischen Staatspreis für literarische Übersetzung. Leopold Federmair lebt in Hiroshima, wo er an der Universität Deutsch unterrichtet.

Hiroshima 2019


1


Erst wenn du etwas zu verlieren beginnst, entsteht eine Geschichte. Je mehr Verluste, desto mehr Erinnerung, desto mehr Erzählung. Was natürlich bedrückend, lebenshemmend wirken kann.

2


An keinem Ort habe ich so lange gelebt wie in Hiroshima. Dreizehn Jahre, kein Jubiläum, keine „runde“ Zahl – ich hätte mit dieser Erzählung hier warten können, bis es fünfzehn oder zwanzig Jahre sind. Aber ob ich dann noch hier sein werde? Ob ich dann noch lebe? Der Lauf der Geschichte oder des Zufalls will es, daß dieses Datum, das „Gegebene“, mit einem anderen Datum zusammenfällt, einem Ende und Neubeginn. Nach dreißig Jahren geht die Amtszeit des alten Tenno zu Ende, ein neuer tritt an. Es war die versprochene Friedenszeit („Heisei“), aber auch eine deprimierende Zeit, eine verewigte Krise ohne große Hoffnung auf eine Lösung; die jungen Leute haben mehr Angst vor der Zukunft als Vertrauen in sie. Vor kurzem wurde Shoko Asahara gehängt, der Guru einer religiösen Sekte, verantwortlich für das Giftgasattentat 1995 in der U-Bahn von Tokyo, bei dem zwölf Menschen starben und hunderte verletzt wurden. Nach dem Erdbeben und Tsunami in Tohoku, mit der drohenden Atomkatastrophe, hatten wir Angst, das Land könnte zerbrechen. Letztes Jah