Die Straße war lang und trostlos, zumindest wirkte sie so auf mein zehnjähriges Selbst. Ich war ein buntes Leben gewohnt, und die Abwesenheit von Farbe verwirrte mich: Der weite, graue Himmel, der schwer auf dem Tag lastete, der dunkle Moorboden, der sich meilenweit zu beiden Seiten erstreckte, ein Asphaltband, das kaum breit genug für unser Auto war. Ab und zu wurde die Monotonie von einem Haus mit einem bunt gestrichenen Zaun oder von grünem Dickicht unterbrochen, doch nur selten, und der Anblick betonte lediglich die Leere der Umgebung. Die Landschaft deprimierte mich, wobei ich keinen Grund dafür nennen könnte; im Haus war ich stets glücklich, doch die Anreise stimmte mich jedes Mal traurig.
»Daphne?«, sagte mein Vater scharf, so wie immer, wenn ich still oder zurückgezogen war, einer Welt nachhing, die nichts mit ihm zu tun hatte. Unsere Blicke trafen sich im Rückspiegel, und er lächelte; in diesen ersten Jahren war er noch glücklich und liebevoll gewesen. Ich saß zufrieden zwischen meinen Schwestern, Angela und Jeanne, auf der Rückbank, hörte zu, wie er und meine Mutter über die Bekannten sprachen, die wir besuchen, die Kinder, mit denen wir uns bestens verstehen, die Abenteuer, die wir in dem riesigen Haus erleben würden. Mit Letzterem sollte er recht behalten. Das gute, alte Milton, aus dem ich Manderley gewonnen hatte – ein wunderschöner Landsitz umgeben von weitläufigen Parkanlagen, der seit Generationen von derselben Familie geliebt wurde. Milton war so offen, wie Manderley verschlossen sein würde, und das Leben darin spielte sich ausschließlich in der Gegenwart ab, doch das Wesen der Räumlichkeiten fand mühelos Eingang in die Seiten vonRebecca, war mir beim Schreiben ebenso lebhaft gewärtig wie bei unserem ersten Treffen an jenem Sommertag, als sich der Krieg langsam dem Ende näherte.
Die Fahrt schien endlos, doch schließlich fuhren wir an einem einstöckigen Häuschen vorbei auf das Anwesen. Die Fenster dort standen offen, und im gepflegten, eingezäunten Garten trocknete die Familienwäsche auf der Leine. Die Auffahrt krümmte und wand sich nicht wie die Manderleys, die Vegetation war weder feindselig noch bedrohlich. Stattdessen durchschnitt der Weg auf höfliche Art und Weise das an- und abfallende Gelände und wurde dabei von dichten, strikt abgegrenzten Baumreihen gesäumt. Als wir das andere Ende des Waldstücks erreichten, hatte sich die Sonne durchgesetzt, und wir fuhren in einen anderen, wolkenlosen Tag hinein. Passend zur märchenhaften Umgebung erschien weiter vorne ein zweites Gebäude, eine Art Miniaturkapelle aus honiggelbem Stein mit kleinen Türmchen und einem runden Fenster über der Tür – gotisch, würde ich heute sagen, aber damals wirkte es zu seltsam und zu zauberhaft, um sich so einfach kategorisieren zu lassen. Das Bauwerk faszinierte mich, ließ meine Eltern jedoch kalt, und wir fuhren rasch daran vorbei. An einer Kreuzung, an der mehrere Wege aufeinandertrafen, murmelte mein Vater etwas über Piccadilly Circus, und bis heute weiß ich nicht, ob das ein Scherz war oder ob die Kreuzung wirklich so heißt.
Wir bogen schwungvoll auf die Kiesfläche vor dem Haus, und da ragte es zum ersten Mal vor mir auf – eher elegant als imposant, hübsches elisabethanisches Mauerwerk und zahllose gekuppelte Fenster, Zinnen und Dachbodenräume, die Abenteuer verhießen. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, weshalb es einen derart bleibenden Eindruck auf mich machte. Womöglich lag es nur an der berauschenden Freiheit der Kindheit und daran, dass ich noch nie zuvor ein Herrenhaus gesehen hatte, oder an dem während de