: Nicola Upson
: Wenn die Masken fallen
: kein& aber
: 9783036996493
: Josephine Tey und Archie Penrose ermitteln
: 1
: CHF 16.20
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: Historische Kriminalromane
: German
: 542
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Inspektor Archie Penrose lädt seine enge Freundin Josephine Tey in sein Elternhaus in Cornwall ein, damit die Krimiautorin nach einer turbulenten Zeit endlich mal wieder durchatmen kann. Josephine freut sich sehr über die Einladung, zumal das Haus auch in unmittelbarer Nähe des berühmten Freilichttheaters von Minack liegt, das eindrucksvoll auf den Klippen über dem Meer thront. Doch ihre Hoffnung auf Ruhe und Entspannung löst sich schnell auf, als ihre Ankunft mit dem mysteriösen Tod eines jungen Mannes im Dorf zusammenfällt. Schon bald werden immer mehr Menschen vermisst oder tot aufgefunden, und Josephine und Archie müssen davon ausgehen, dass sie es mit einem kaltblütigen Mörder zu tun haben, der vor weiteren Verbrechen nicht zurückschreckt.



Nicola Upson wurde 1970 in Suffolk, England, geboren und studierte Anglistik in Cambridge. Ihr DebütExperte in Sachen Mord bildet den Auftakt der erfolgreichen, mehrbändigen Krimireihe. Bei deren Hauptfigur Josephine Tey handelt es sich um eine der bekanntesten Krimiautorinnen des Britischen Golden Age.Mit dem Schnee kommt der Tod war nominiert für den CWA Historical Dagger Prize (2021). Nicola Upson lebt in Cambridge und Cornwall.

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Die Sonne brannte auf Harry Pinchings Sarg hinab, und Archie Penrose verlagerte das Gewicht auf seiner Schulter, in dem vergeblichen Versuch, sein Unbehagen ein wenig zu lindern. Nun schien das schwere Eichenholz noch stärker gegen seinen Hals zu drücken, und er nahm bei jedem Atemzug den schwachen Geruch von Holzpolitur wahr, deren süßlicher, heimeliger Duft einen scharfen Kontrast zur Stimmung des Tages bildete. Die Hitze war extrem für diese Jahreszeit, sie allein wäre schon Zumutung genug gewesen. In Kombination mit dem, was seine Sinne sonst auszuhalten hatten, war sie fast unerträglich, und Archie war froh, als die Stalluhr zwölf Uhr läutete, das Signal für das kleine Grüppchen Männer, sich in Richtung des wartenden Leichenwagens in Bewegung zu setzen.

Er hatte eigentlich nicht vorgehabt, am ersten Tag seines Urlaubs einer Beerdigung beizuwohnen. Die zwei Wochen auf dem Familienanwesen in Cornwall waren als dringend benötigte Pause von seinem beruflichen Umgang mit dem Tod gedacht gewesen. Und noch wichtiger, er hatte sich geschworen, dass er in dieser Zeit einen Neubeginn wagen wollte, was seine langjährige, schwierige und dennoch kostbare Freundschaft zu Josephine Tey anging. Sie kannten sich nun schon seit zwanzig Jahren, von denen achtzehn von Geheimnissen und Schuldgefühlen überschattet gewesen waren. Erst die tragischen Ereignisse des vergangenen Jahres hatten es ihnen ermöglicht, endgültig reinen Tisch zu machen. Seither hatten sie sich noch einige Male in London getroffen, aber hier in Cornwall würden sie Gelegenheit haben, sich länger zu sehen und die neue Leichtigkeit und Ehrlichkeit in ihrer Freundschaft zu genießen. Zugegeben, es war ursprünglich geplant gewesen, dass sie gemeinsam herfuhren, und die Tatsache, dass nun ausgerechnet ein Toter ihre Pläne durchkreuzt hatte, könnte als schlechtes Omen gewertet werden. Aber da der Sommer so ungewöhnlich früh und strahlend hereingebrochen war, und Josephines Zug am Nachmittag eintreffen sollte, war Archie dennoch zuversichtlich: Tod und Trauer würden schon bald hinter ihnen liegen. Ihre gemeinsame tragische Vergangenheit zu vergessen, war unmöglich, das hätte auch keiner von ihnen gewollt. Allerdings würde sie von nun an hoffentlich ihre Bindung stärken, statt eine unbehagliche Atmosphäre zwischen ihnen zu schaffen, der sie ständig auszuweichen versuchten.

Als Leichenwagen, der nur wenige Meter entfernt stand, diente eine offene, schlichte Kutsche, die zu dem jungen Mann passte, dessen Leichnam sie transportieren sollte. Sie wurde – eine Geste des Verzeihens, die Archie bemerkenswert fand – ausgerechnet von dem Pferd gezogen, das ihm den Tod gebracht hatte. Das Gefährt war liebevoll mit den prächtigen Blumen geschmückt, die Cornwall zu dieser Jahreszeit im Überfluss zu bieten hatte, zusammengetragen aus den Gärten von Freunden, die froh waren, ihrer Trauer auf diese Weise Ausdruck verleihen zu können. Die Sargträger bewegten sich langsam auf die Kutsche zu, sorgsam darauf bedacht, im Gleichschritt zu bleiben. Archie war nah genug an seinem Vordermann, um zu erkennen, wie sich dessen Halsmuskeln unter dem Gewicht des Sargs und der Verantwortung anspannten. Nachdem sie ihre Last vorsichtig in den Leichenwagen hinuntergelassen hatten, spiegelten die Gesichter der anderen Träger seine eigene Erleichterung wider. Sie hatten nur kurz mit Harrys Leichnam auf den Schultern dastehen müssen, doch in der Mittagssonne hatte es gereicht, um ihre Beerdigungsanzüge mit Schweiß zu durchtränken. Archies Hemd klebte unangenehm an seinem Rücken, und sein dunkler, gut geschnittener Anzug kam ihm unbequem und einengend vor. E