Donnerstag, 19. Dezember
Der Hund war alt. Seine Hüften waren durch Verkalkungen steif und ungelenk geworden. Durch die Krankheit ähnelte das Tier fast einer Hyäne, mit kräftiger Brust und einer gewaltigen Nackenpartie, die zu dem mageren Hinterteil hin jählings schmaler wurde. Der Schwanz krümmte sich um die Hoden.
Das räudige Tier kam und ging. Niemand konnte sich daran erinnern, wann es zuerst aufgetaucht war. Es gehörte in gewisser Weise zu dieser Gegend dazu; eine Unannehmlichkeit, die man nicht vermeiden konnte, wie das Scheppern der Straßenbahnen, die falsch geparkten Wagen und die bei Glatteis nicht gestreuten Wege. Man musste sich eben vorsehen. Die Kellertüren verschlossen halten. Die Katze über Nacht ins Haus holen. Im Hinterhof sorgfältig die Deckel auf die Mülltonnen legen. Manchmal beschwerte jemand sich bei der Gesundheitsbehörde, wenn an drei Morgen hintereinander Essensreste und andere Abfälle bei den Fahrradständern herumlagen. Eine Reaktion kam nur selten, und nie wurde auch nur der Versuch unternommen, das Tier zu fangen.
Wenn sich jemand die Frage gestellt hätte, wie dieser Hund eigentlich lebte, dann wäre die Antwort gewesen, dass er sich nach einem gewissen Muster durch den Stadtteil bewegte, einem Muster, das unregelmäßig und deshalb nicht so leicht zu durchschauen war. Wenn jemand sich dafür interessiert hätte, hätte dieser Jemand erkennen können, dass der Hund nie weit weg war, dass er selten sein Revier verließ und dass dieses Revier nur fünfzehn oder sechzehn Häuserblocks umfasste.
So lebte der Hund seit fast acht Jahren.
Er kannte sein Revier und machte um andere Tiere einen großen Bogen. Er wich Schoßhunden an bunten Nylonleinen aus und wusste schon längst, dass Rassekatzen mit einer Glocke am Hals eine Versuchung darstellten, der er besser nicht erlag. Er war ein herrenloser Bastard in Oslos nobelstem Westend und blieb deshalb lieber in Deckung.
Die unerwartet hohen Temperaturen vor Weihnachten lagen hinter ihnen. Ein eiskalter Frost hatte den Asphalt überzogen. In der Luft lag ein Hauch von Schnee. Der Hund kratzte mit seinen Krallen über das Eis, und er zog ein Hinterbein nach. An der linken Seite seines Hinterteils leuchtete im Laternenlicht eine Schramme, sie schimmerte im spärlichen Fell violett und war verschmiert mit gelbem Eiter. Er war am Vorabend an einem Nagel hängen geblieben, auf der Suche nach einem Schlafplatz.
Der Wohnblock lag ein Stück abseits der Straße. Ein Plattenweg durchschnitt den Vorgarten. Feuchtes, totes Gras und ein von einer Plane bedecktes Blumenbeet lagen in einem auf Kniehöhe von einer schwarz angestrichenen Kette abgegrenzten Bereich. Rechts und links des Eingangs stand je ein mit elektrischen Kerzen geschmückter Weihnachtsbaum.
Der Hund unternahm an diesem Abend schon den zweiten Versuch, in ein Haus zu gelangen. In der Regel gab es immer irgendeinen Weg. Natürlich war es bei unverschlossener Tür am einfachsten. Ein leichter Sprung, ein Pfotenhieb gegen die Klinke. Ob die Tür sich nach außen oder nach innen öffnete, spielte normalerweise keine Rolle, unverschlossene Türen waren sowieso eine Kleinigkeit. Sie waren aber auch selten. In der Regel musst