Kapitel 1
Ryan
Ich bin kein Träumer. Zumindest nicht im traditionellen Sinn. Meine Träume sind greifbar, erreichbar, keine romantisierten Vorstellungen des Unmöglichen.
Manch ein erwachsener Mann fällt wegen dieser achtundvierzig Minuten Basketball auf die Knie und betet. Ich hingegen verherrliche das Schicksal nicht und überlasse nichts dem Zufall. Ich glaube an harte Arbeit und Hingabe. Ich habe einen Lebensplan. Gelegenheiten bieten sich mir deshalb, weil ich auf sie hingearbeitet habe.
Meine Mannschaftskameraden allerdings haben ihren Traum von der Meisterschaft eindeutig romantisiert, wenn ich mir ansehe, wie untrainiert sie in die erste Trainingswoche stolpern.
»Dom, du musst doppelt so schnell blocken, wenn das noch was werden soll. Du bist so verdammt langsam, was zum Teufel hast du den ganzen Sommer über gemacht?«
»Mein Leben genossen, Shay. Solltest du auch mal versuchen.« Dom Jackson, unser Hüne, sackt in sich zusammen, stützt sich auf den Knien ab und versucht mühsam, zu Atem zu kommen. Auch meine anderen Mannschaftskameraden sind ordentlich aus der Puste.
Ich wische mir gerade mit dem Trainingstrikot den Schweiß von der Stirn, als einer der Neulinge mir den Ball von der Freiwurfzone aus zuspielt.
»Versuchen wir’s noch mal«, sage ich.
»Ryan, das Training ist eigentlich schon seit einer Stunde rum. Einige von uns haben Frauen und Kinder, die auf uns warten.« Ethan Jeong, unser altgedienter Shooting Guard, steht am Spielfeldrand, die Hände in die Hüften gestemmt.
»Ja, und einige von uns haben Dates mit …« Dom blickt zu einem der jungen Männer an der Seitenlinie hinüber.Wie heißt sie noch mal?, formt er lautlos mit den Lippen. »Ach ja, Raquel! Einige von uns haben Dates mit schönen Frauen, die Raquel heißen.«
Mein Blick wandert über meine Teamkollegen. Alle bis auf mich sind völlig erledigt. »Gut«, kapituliere ich. »Wir machen Schluss für heute.«
»Gott sei Dank!« Dom dreht sich um und zieht erleichtert das schweißnasse Trikot aus. Der Rest des Teams folgt ihm eilig in die Umkleidekabine.
»Es ist noch Vorsaison, Ryan.« Ethan legt mir tröstend die Hand auf die Schulter. »Die kriegen das schon hin.«
»Ich bin das Verlieren leid. Ich habe den ganzen Sommer über zweimal am Tag trainiert, um für diese Saison in Form zu kommen. Die anderen müssen sich anstrengen, um auf mein Niveau nachzuziehen.«
»Sie werden nie auf dein Niveau kommen. Deshalb wirst du einer der ganz Großen sein … aber als neuer Kapitän brauchst du auch den Respekt deiner Mannschaft, und dabei geht es nicht darum, wie du spielst.« Er nimmt die Hand von meiner Schulter und wendet sich zum Gehen. »Außerdem möchte ich ungern«, sagt er über die Schulter, »dass du dich zu sehr verausgabst. Du musst mich mit in die Meisterschaft schleifen und dafür sorgen, dass ich einen Championship-Ring bekomme, damit ich beruhigt in Rente gehen kann.« Grinsend trollt sich Ethan in die Umkleidekabine.
Er ist ein guter Kerl. Ein Familienmensch. Dreifacher Vater und langjährigerNBA-Veteran. Er war sieben Jahre lang Mannschaftskapitän, hat aber am Ende der letzten Saison seinen Rücktritt eingereicht, zugunsten seiner Work-Life-Balance.
Und seit letzter Woche bin ich der neue Kapitän der Devils, ChicagosNBA-Team.
Ich wusste, dass es eines Tages so weit sein würde. Ich wusste nur nicht, dass ich erst siebenundzwanzig sein würde und noch vor meiner fünften Saison in der Liga. Ich habe selbst noch viel zu lernen, und jetzt trage ich zusätzlich die Verantwortung für die Mannschaft, auf und neben dem Platz.
Der Manager der Devils war gegen meine Beförderung, aber so