Teil 2:
Körpergefühl in Schieflage: Wie konnte es dazu kommen?
Was hat dazu geführt, dass so viele von uns unzufrieden mit ihrem Körper sind? Dass Essstörungen und essgestörtes Verhalten sehr viel weiter verbreitet sind, als wir alle dachten? Wie kann es sein, dass Bodyshaming und Gewichtsdiskriminierung für so viele Menschen an der Tagesordnung sind, obwohl wir als Gesellschaft doch eigentlich immer bewusster und sensibler im Umgang miteinander werden?
Dieser Teil dieses Buches wirft Licht auf die Strukturen, die diese Zustände bedingen und aufrechterhalten. Wir analysieren Mechanismen und Hintergründe der Diätkultur, in der wir leben, und beleuchten ihre häufig verschwiegenen Nebenwirkungen. Wir untersuchen, wie unsere Vorstellungen von einem »idealen« Körper entstehen und wie sie beeinflusst werden. Doch nicht nur individuelle Faktoren spielen eine Rolle – auch das Familien- und Gesellschaftssystem, in dem wir aufwachsen und leben, prägt unser Körperbild immens. Wir analysieren die historische Entwicklung von Körperidealen und versuchen zu verstehen, wie sich Schönheitsideale im Laufe der Zeit gewandelt haben und unsere heutige Wahrnehmung von Attraktivität beeinflussen. Nicht zuletzt werfen wir einen Blick auf die mediale Darstellung von Körpern – sei es in Werbung, Filmen oder sozialen Medien – sowie auf die permanente Vergleichskultur, die in unserer Gesellschaft allgegenwärtig ist. Bereit für mehr Input? Bereit für einen ungefilterten Blick hinter die Kulissen? Dann lass uns starten.
2.1 Unfiltered: Diätkultur
Die Diätindustrie boomt wie nie zuvor, in den letzten Jahrzehnten sind kontinuierliche Steigerungsraten zu verzeichnen. Während in einer Erhebung in den Vereinigten Staaten zwischen 1950 und 1966 nur etwa 14 % der Frauen und 7 % der Männer angaben, dass sie versuchten, Gewicht zu verlieren,129 stiegen die Zahlen zwischen 2003 und 2008 auf rund 57 % der Frauen und 40 % der Männer an.130 Insgesamt wird geschätzt, dass basierend auf der jüngsten Erhebung aus Europa und den USA derzeit 25 – 65 % der Frauen und 10 – 40 % der Männer versuchen, durch eine Diät Gewicht zu verlieren.131,132 Das Marketing scheint zu funktionieren.
Body Reflections
Wie diätorientiert bist du?
Als Einstieg in dieses Thema möchte ich dir ein paar Fragen zur Selbstreflexion stellen. Sie helfen dir, deine Diätmentalität näher zu ergründen:
- Welche Diäten oder Ernährungstrends hast du in der Vergangenheit ausprobiert?
- Wie haben Diäten in deiner Vergangenheit dein Essverhalten beeinflusst? Wie haben sie sich auf dein Körperbild ausgewirkt?
- Hast du dich jemals schuldig oder schlecht gefühlt, wenn du bestimmte Lebensmittel gegessen hast?
- Hast du gelernt, auf deine körperlichen Hunger- und Sättigungssignale zu achten? Gab es unterschiedliche Phasen in deinem Leben, in denen dies besser oder schlechter geklappt hat? Wenn ja, woran lag es?
- Gibt es für dich »gutes« und »schlechtes« Essen? Wenn ja, wonach kategorisierst du die Lebensmittel? Woher könnten diese Vorstellungen stammen?
- Hast du jemals versucht, dein Körpergewicht zu kontrollieren, um bestimmten Körperidealen zu entsprechen?
- Bist du in der Lage, intuitiv zu essen und auf deine inneren Bedürfnisse zu hören? Wo sind Blockaden vorhanden, die dich daran hindern, intuitiv zu essen?
Diäten sind auf dem Vormarsch, sie schießen zuhauf aus dem Boden. Jedes Jahr taucht eine neue Trendmethode auf, die eine schnelle Gewichtsreduktion verspricht. Parallel dazu heißt es häufig in den Medien, dass unsere Gesellschaft immer dicker wird. Nach Untersuchungen des Robert Koch Instituts sind rund 67 % der Männer und 53 % der Frauen mehrgewichtig oder adipös, wobei Mehrgewicht in den letzten zwei Dekaden weiterhin zugenommen hat, besonders bei Männern und Jugendlichen.133
Wichtig zu ergänzen ist in diesem Zusammenhang, dass Diäten mitnichten ausschließli