2 Frauen und Hormone
Eine dramatische Beziehung, vor allem in den Wechseljahren
Als ich meine Praxis eröffnete, überraschte es mich, dass vor allem Frauen zu mir kamen. Ich sah es aber als Geschenk und nahm es mit Dankbarkeit an. Es ist ja nicht selbstverständlich, dass Frauen einem Mann das Vertrauen schenken und frei über Dinge berichten, die in der Gesellschaft, warum auch immer, nicht gerade im hellsten Licht erstrahlen.15-jährige Mädchen berichten mir von ihrer Verstopfung,20-Jährige von ihren prämenstruellen Beschwerden und einer nicht zu bremsenden Menstruation – »Ich habe das Gefühl, ich saufe ab!«.30-Jährige erzählen mir von ihrem Kinderwunsch, der sich partout nicht erfüllen wolle, Frauen im mittleren Alter von ihrem Libidomangel, der sie selbst, vor allem aber den Partner belaste, usw. usf.
Wie gesagt, ich nehme dieses Vertrauen mit großer Dankbarkeit und als Bereicherung für meinen eigenen Erfahrungshorizont an. Aber irgendwann habe ich mich dann schon gefragt, warum es denn überhaupt überwiegend Frauen sind, die zu mir in die Praxis kommen. Ein Grund ist sicherlich, dass sich Frauen mehr um ihre Gesundheit kümmern, im Sinne von Prävention, und nicht erst zum Arzt gehen, wenn Hopfen und Malz bereits verloren ist, wie so oft bei Männern. Das ist eine Erklärung. Die allein genügt aber nicht. So kam ich recht bald zu den hormonellen Veränderungen, die Frauen nicht nur in jedem Monat, sondern ihr ganzes Leben lang mehrmals durchlaufen.
Männer tun das natürlich auch, aber eben nicht so deutlich. Diese Erkenntnis als solche ist keine überragende Leistung. Aber die Frauen kamen nicht zu mir in die Praxis wegen eines Kinderwunsches oder ihres Libidomangels, sondern wegen einer Hashimoto-Thyreoiditis oder einer Unterfunktion der Schilddrüse. Ich forschte also weiter und fand, wie auch Studien belegen, eine Antwort in dem engen Geflecht, das andere Drüsen mit der Schilddrüse verbindet. Sie steht also nicht nur in einer Beziehung mit dem oben beschriebenen hormonellen Regelkreis und der Hypophyse, sondern sie interagiert auch mit anderen Hormondrüsen, in unserem Fall besonders mit den Geschlechtsdrüsen und den Nebennieren. Lassen Sie uns das mal ansehen!
Die Geschlechtsdrüsen – Progesteron und Estradiol
Die Geschlechtsdrüsen produzieren unter anderem Progesteron und Estradiol. Das sind die Hormone, die bei einer Frau bewirken, dass sie einmal im Monat einen Eisprung und als Folge auch einmal im Monat ihre Tage hat. Beide Hormone steuern aber noch viele weitere Funktionen im Körper, von der Psyche über den Schlaf bis hin zum Knochenaufbau, aber für uns ist vor allem relevant, dass sie Einfluss auf die Schilddrüse haben.
Dieser sieht folgendermaßen aus: Progesteron regt die Schilddrüse an, Estradiol bremst sie. Warum das so ist, hat man noch nicht exakt untersuchen können. Man weiß aber inzwischen, dass Progesteron die Bindungsfähigkeit der Schilddrüsenhormone erhöht, sie also dabei unterstützt, Energie in die Zellen zu liefern. Zudem sensibilisiert Progesteron die Schilddrüsenzellen fürTSH, es macht die Schilddrüse also feinfühliger für das sie anregendeTSH.
Gegenteiliges bewirkt Estradiol, vor allem dann, wenn wir zu viel davon im Körper haben und eine sogenannte Östrogendominanz besteht. Die Proteine, die das Estradiol wie ein Taxi durch die Blutbahnen befördern, verbinden sich nämlich auch mit den Schilddrüsenhormonen und verhindern somit, dass diese zu ihren Zielzellen gelangen, sprich weniger Energie liefern. Das heißt, wenn eine Frau eine Unterfunktion der Schilddrüse entwickelt und – das nehmen wir mal an – sich gleichzeitig mitten in den Wechseljahren befindet, dann kann ein Progesteronmangel die Ursache für eine Unterfunktion ihrer Schilddrüse sein. Und ihr ist dann mit bioidentischem Progesteron zuweilen besser geholfen als mit dem synthetischen Schilddrüsenmedikament L-Thyroxin.
Die Nebennieren und Cortisol
Die Nebennieren haben ebenfalls einen großen Einfluss auf die Schilddrüse. Jeder Mensch hat zwei davon, jeweils ungefähr so groß wie eine Mandel, und sie sitzen wie zwei Kappen auf den Nieren. Neben Aldosteron und Adrenalin produzieren sie das Stresshormon des Körpers schlechthin: Cortisol. Wie jedes andere Hormon hat Cortisol unfassbar große Wirkung auf unseren Körper, vom Fettstoffwech