KAPITEL
1
Die Pilzlamellen waren dunkelrot, fast schon violett. Sie hatten die Farbe durchtrennter Muskeln, die in so schauderhaftem Kontrast zum Blassrosa von Eingeweiden steht. Bei totem Wild oder sterbenden Soldaten hatte ich sie schon oft beobachtet, hier dagegen erschreckte sie mich.
Womöglich wäre es weniger beunruhigend gewesen, hätten die Pilze nicht so sehr an rohes Fleisch erinnert. Die beigen Hüte glänzten feucht und wölbten sich aufgedunsen über den roten Lamellen. Sie wuchsen aus den Steinspalten des kleinen Bergsees wie Krebsgeschwüre aus der Haut eines Kranken. Ich verspürte den überwältigenden Drang, davor zurückzuweichen, mehr noch juckte es mich jedoch in den Fingern, mit einem Ast darin herumzustochern.
Dumpf meldete sich mein schlechtes Gewissen, weil ich die Reise unterbrochen hatte und abgestiegen war, um mir die Pilze genauer anzusehen, aber ich war müde. Und wichtiger noch: Mein Pferd war müde. Madelines Brief hatte über eine Woche bis zu mir gebraucht. Ganz gleich wie dringlich er formuliert war, fünf Minuten mehr oder weniger würden keinen Unterschied machen.
Hob, mein Hengst, war dankbar für die Pause, die Umgebung schien ihn allerdings verdrießlich zu stimmen. Er blickte zuerst auf das Gras und dann zu mir auf, als wollte er mir zu verstehen geben, dass es nicht seinen gewohnten Standards entsprach.
»Du könntest hier eine