: Alexander Gallus
: ad 'Weltbühne' Ausgewählte kritische Kommentare zur Weimarer Republik
: CEP Europäische Verlagsanstalt
: 9783863936518
: 1
: CHF 9.00
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: 20. Jahrhundert (bis 1945)
: German
: 213
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Allwöchentl ch stieß die Weltbühne mit Heftigkeit und vollen Lungen einen Weckruf aus« Rudolf Olden Die 'Weltbühne' genießt einen legendären Ruf. Wer nach einem Dokument intellektuellen Glanzes, sowohl geistreicher als auch scharfer Zeitkritik in der Weimarer Republik sucht, wird zuerst an sie denken. Die schillernden Herausgeber - Siegfried Jacobsohn, Kurt Tucholsky und Carl von Ossietzky - versammelten in den 'goldenen Zwanzigern' die begabtesten Federn unabhängiger linker Geistesarbeiter. Mit ihrem unerschütterlichen Nimbus als Kulturinstitution sorgte die Zeitschrift in politischen Dingen von Anfang an für Reibungen und Kontroversen. Ihre eigenwilligen Interventionen ließen niemanden kalt. Allwöchentlich stieß die 'Weltbühne', das notierte Rudolf Olden einmal, 'mit Heftigkeit und vollen Lungen einen Weckruf' aus: 'rücksichtslos, schrill, unbarmherzig'. 25 hier versammelte Artikel aus der 'Weltbühne' dokumentieren als Zeugnisse einer kritischen Zeitdiagnostik zwischen 1918 und 1933 die Epoche einer Demokratie zwischen Hoffnung und Krise - und lassen uns von Neuem darüber nachdenken, wie anspruchsvoll es ist, die gemeinsamen Grundlagen für Konflikte in der offenen Gesellschaft herzustellen.

Alexander Gallus, geb. 1972, studierte Geschichte und Politikwissenschaft in Berlin und Oxford. Nach seiner Zeit als Juniorprofessor an der Universität Rostock folgte er einem Ruf auf den Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Technischen Universität Chemnitz. Dort leitet er auch den Forschungsbereich zur Intellectual History des 20. und 21. Jahrhunderts. Zu seinen Publikationen zählen u. a.: Heimat 'Weltbühne'. Eine Intellektuellengeschichte im 20. Jahrhundert, Göttingen 2012; Die Neutralisten. Verfechter eines vereinten Deutschland zwischen Ost und West 1945-1990, 2. Aufl., Düsseldorf 2006; Revolutionäre Aufbrüche und intellektuelle Sehnsüchte. Zwischen Weimarer Republik und Bundesrepublik, Hamburg 2021; Intellektuelle in ihrer Zeit. Geistesarbeiter und Geistesgeschichte im 20. Jahrhundert, Hamburg 2022.

2. Die verruchte Lüge


Von Georg Metzler

Für jeden braven Durchschnittsdeutschen gilt als unumstößliche Tatsache, daß ein ungeheuer schweres, unverdientes Geschick unser friedliebendes, arbeitsames, unschuldiges Volk getroffen hat. Keine Enthüllungen, keine noch so überzeugenden dokumentarischen Beweise, keine der unzähligen Erklärungen, keine Stellungnahme des gesamten Erdballs kann eben dieses Volk in seiner Ueberzeugung wankend machen, daß es bieder, fromm und stark einen heiligen Verteidigungskrieg gegen eine Welt von Feinden durchgekämpft und, dank einer genialen militärischen Führung, „unbesiegt“ zu Ende gebracht hat. Keine unanfechtbare und unbestreitbare Tatsache kann ihm die Ueberzeugung erschüttern, daß nur eine Komplikation von unheilvollen Umständen: die vorübergehende Schwäche und nervöse Ueberreizung eines sonst unüberwindlichen Feldherrn, die Hetze und die tückischen Zetteleien vaterlandsfeindlicher Schurken in der Heimat, der Eidbruch nichtswürdiger, verführter, treuloser Truppen ihm im letzten Augenblick den sonst unentreißbaren Sieg frevelhaft entrissen hat. Nur schnöde Ränke in der Heimat haben, so glaubt dieses Volk, dem tapfern und unbezwungenen Frontheer den Dolch in den Rücken gestoßen; nur noch ein viertel, ein halbes Jahr durchgehalten, und alle Feinde Brandenburgs, Preußens und