Godwin
Endlich. Dieses NA-R lag unter ihm. Doch wo war seine Wut auf die Drachentöchter geblieben? Dieses göttliche Gefühl, das alles, was man tat, in einen Rausch verwandelte? Er blieb beinahe unbeweglich hoch oben in der Luft stehen, ging in Gedanken den Weg zurück, den er geflogen war, zu den Wesen, die er getroffen hatte, und den Worten, die gewechselt worden waren. Bei Dreisporn verweilte er nur kurz, ging weiter zurück zu Kriecher. Zu weit. Zurück, vorwärts, zurück. Bei Dreisporn blieb er hängen.
Der kleine Halbdrache, der sich opfern wollte, um eine Stadt der Menschen zu retten. Wie schwach sie doch wurden, wenn sie ihr Blut verdünnten. Kein Drache käme auf die Idee, für etwas anderes als für eine Partnerin freiwillig in den Tod zu gehen. Was würde der Tod für einen Sinn ergeben, wenn er nicht der Fortpflanzung diente? Aber diese Dreisporn sah das völlig anders. Sie hatte seine Kampfeswut erkalten lassen.
Ich muss nachdenken, sagte er sich, und umkreiste NA-R in immer der gleichen Höhe. Für das, was er vorhatte, war die Drachengestalt ungeeignet. Er landete weit außerhalb der Stadt und entschied sich für die Gestalt eines Pferdes, ein geistloses Wesen ohne eine Verbindung zur ruhmreichen Vergangenheit seiner Vorfahren. Aber dieses Tier genügte, um die Stadt zu umrunden und hinter dem dunklen Viertel das Viertel der Elfen zu finden. Er übersprang den Zaun in einer Geschwindigkeit, dass die Wachen sich fragten, ob überhaupt etwas geschehen war. Das Haus der Familie erkletterte er als Echse, deren Krallen Löcher in den Stein brachen, bis er am Ende triumphierend auf dem Dach stand. Er stampfte mit einem Hinterbein auf und durchbrach die Dachbalken. Eine schnelle Drehung des gepanzerten Körpers, und das Dach war Geschichte. Die Trümmer kümmerten ihn nicht. Er hatte die Treppe gefunden, die nach unten führte. Mit seiner letzten Verwandlung wählte er die Form eines Menschen, oder was er dafür hielt. Lange Haare und ein Bart, die miteinander verfilzten, den Kopf einhüllten und sich in mehreren Ringen um seine Taille wanden.
So stieg er die Treppe hinab.
Im großen Raum wurde er erwartet. Sein Getöse hätte auch Tote aufgeweckt. Umso wuchtiger empfing ihn das Schweigen der Bewohner dieses Hauses. Er drehte den Kopf.
„Was für erbärmliche Kreaturen verstecken sich hier hinter schwachen Mauern. Ich spüre die Magie der Drachen, unrein, vermengt mit anderen Kräften, die keiner Erwähnung wert sind. Du da …“ Godwin zeigte auf die Unaussprechliche. „Du ähnelst noch am ehesten einem Drachen, aber zu was für einem Zerrbild bist du verkommen. Ich wollte euch alle auslöschen, aber nachdem ich einem Wurm in Centrell das Leben gelassen habe, nachdem sie bereute, will ich auch dir nichts tun. Außerdem bin ich nicht wegen dir hier. Nach dir habe ich gesucht.“
Sein Finger zeigte auf Tama, die beide Hände auf ihren Bauch gelegt hatte, als ob sie ihr Kind schützen müsste. Doch bevor sie etwas sagen konnte, sprang ein Wesen mit großen Augen und krummen Beinen zwischen ihn und Tama.
„Wag es nicht, wer immer du auch bist. Bevor du ihr irgendein Leid antust, musst du erst an mir vorbei.“
Nur Tama, Neven und Godwin konnten Paluda verstehen, denn sie sprach mit stummen Lippen.
Godwin legte den Kopf schief und machte runde Augen. „Wer bist du denn?“, wollte er wissen. „Gerade mal die Hälfte von dem Menschenkind und wagst es, mich anzusprechen. Du stammst von unseren Ahnen ab, bist eine von ihnen, die unterwegs ihre Magie verloren und durch eine Laune der Natur ein bisschen davon zurückbekommen hat. Du rührst mich. Ich habe so etwas wie dich noch nie gesehen. Bist ein Sumpfgetier, nicht wahr? Und warum glaubst du, die Menschentochter vor mir schützen zu müssen?“
„Sie ist meine Freundin.“
„Freund, Freundin. Solche Worte sind für Drachen schwer zu verstehen. Du behauptest, dass ihr beide zusammengehört. Dabei seid ihr kein Paar, auch nicht Mutter und Tochter. Ich kann mich nicht um alles kümmern, was in dieser Welt herumläuft, aber geh mir besser aus den Augen. Ich habe zwei Fragen an deine Freundin, die sie mir hier und jetzt beantworten wird.“
Tama nahm Paluda in den Arm.„Keine Angst. Der Altvater tut mir nichts. Wir sind gute Bekannte, beinahe Freunde. Und deshalb werde ich auch versuchen seine Fragen zu beantworten, wenn ich das kann.“
Godwin, der Tama verstanden hatte, lachte. „Wir kennen uns in der Tat, aber Freunde sind wir nicht. Dafür müsste sie eine Göttin sein und unsterblich wie ich. Aber sie hat trotzdem nichts von mir zu befürchten. Meine Fragen sind zwei. Wer bist du? Und warum bist du in diese Welt gekommen?“
„Das sind zwei Fragen, die nur das Schicksal oder die Götter beantworten können. Aber ich will dir sagen, was ich weiß. Ein Magier der Menschen verliebte sich in eine Frau unreinen Blutes. Menschenblut mit einem Viertel Elfenblut und einigen