Ready for take-off?
Houston, wir müssen mal über Gefühle reden!
Innsbruck! Ein Sandsturm! »Och nee!« Zu meiner linken Seite stützt unser Teamarzt das Gesicht in seine Hände. »Das jetzt auch noch. Die Hitze im Feld reicht mir, ehrlich gesagt. Schau dir mal bitte ihren Puls an. Das ist zu warm da draußen, sie muss ins Habitat zurückkommen.« Ich rutsche ein paar Zentimeter nach links und schaue auf einen Bildschirm, der die Telemetrie abbildet. Herzrate, Temperatur, Puls. Alle Werte befinden sich in einem Bereich, der mir sagen soll: Rund 3000 Kilometer entfernt steckt gerade eine sogenannte Analog-Astronautin in einem Raumanzugsimulator in der Wüste, sammelt Gesteinsproben und schwitzt. Eine Analog-Astronautin ist eine Raumfahrerin, die auf der Erde wissenschaftliche Erkenntnisse für zukünftige astronautische Raumfahrtmissionen sammelt. Dafür simuliert sie mit einem sechsköpfigen Team einen Aufenthalt auf dem Planeten Mars mit allem, was dazugehört. Weltraumdusche. Astronautenfutter. Experimente. Vier Wochen lang. Ein silbernes Habitat – eine Art Wohnkuppel – zum Schlafen, Essen und »zur Erde« Kommunizieren. Spaziergänge durch die »Marswüste« finden nur in einem schweren Raumanzug statt. Währenddessen sitze ich in Innsbruck in einer Lagerhalle, die als Mission Support Center dient. Aus dem Fenster fällt mein Blick auf den ersten Winterschnee, den ich auf den Berggipfeln erahnen kann. Ganz andere Welt!
Plötzlich fliegt die Tür zum Flight Control Room auf, und die Frau, die sich um die Durchführung aller wissenschaftlichen Experimente kümmert, kommt hereingestürmt. »Was ist da los? Ich dachte, heute machen wir das Experiment. Die Wissenschaftler brauchen endlich ihren Datensatz.« Neben mir schüttelt der Arzt den Kopf: »Die müssen wohl erst mal warten. Es ist zu warm im Anzug. Du weißt doch: Safety first! Und dann erst Science und Simulation! Es geht immer erst mal darum, dass es unseren Analog-Astronauten gut geht!« Die Frau schaut nicht gerade begeistert. »Wir haben auch eine Rückmeldung direkt aus dem Feld«, schaltet sich nun eine weitere Stimme ein. »Earth Com« – also die Person, die mit den Menschen im Feld über Chat spricht: »Die Astronautin möchte weitermachen. Sie sagt, sie fühle sich fit!« Ich blicke in ratlose Gesichter. Wer soll nun entscheiden? »Das ist knifflig«, sage ich, »auf der einen Seite müssen wir die Telemetrie beachten und die Astronauten davor schützen, wenn sie sich selbst überschätzen. Aber auf der anderen Seite müssen wir auch die Erfahrungswerte aus den letzten zwei Wochen im Feld beachten, die das Team dort gesammelt hat.« Ich merke, dass sich Spannung bei allen Beteiligten im Mission Support Center aufbaut. Alle wollen, dass die Mission erfolgreich verläuft, aber natürlich schaut jedes Teammitglied auch auf seine eigenen Bereiche. Experimente durchführen, medizinische Sicherheit gewährleisten oder im Raumanzug auf dem Rover durch die Wüste fahren. Und ich? Was will ich? Ich möchte in meiner Rolle als Teampsychologin, dass es allen Beteiligten bei dieser Analog-Mission, psychisch so gut wie möglich geht. Das ist unter den Bedingungen, unter denen wir zusammenarbeiten, ziemlich komplex. Kommunikation zwischen dem simulierten Mars – einem Habitat in der israelischen Wüste – und der Erde – eine Lagerhalle in Innsbruck – findet ausschließlich über Chat statt. Um die Entfernung zwischen Erde und Mars nachzuahmen, dauert es zehn Minuten, bis Nachrichten übermittelt werden. Temperaturumschwünge werfen unsere Pläne oft um. Im Habitat ist es meist zu laut oder zu eng zum Schlafen. Dichte Arbeitspläne stressen die kleine Crew. Und ab und an hat auch mal jemand Heimweh nach einer echten Dusche, oder es herrscht dicke Luft in der Gruppe.
Kommt dir bekannt vor? Für solche Situationen muss man sich weder auf dem Mars noch auf einer Analog-Mission in der Wüste befinden. Undefinierte Arbeitshierarchien. Eine viel zu enge Wohnung. Und auf WhatsApp wieder keine Antwort bekommen? Auch unser eigenes Leben kann sich manchmal wie eine Extremexpedition anfühlen. Wir jonglieren Kinderversorgung, Job und Angehörigenpflege innerhalb eines viel zu kurzen Arb