1. Lady in Red
Svantje Koch
Katja schrak von einem lauten Geräusch auf. Sie brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. Hinter ihren Augen pochte es und das Gebrüll vor dem Fenster verschlimmerte den Schmerz.
Stöhnend richtete sie sich auf und angelte nach dem Vorhang. Draußen schrie gerade ein Mann einen Parksheriff an und fuchtelte mit einem Zettel vor dessen Nase herum.
Sie strubbelte sich durch die Haarstoppeln und wischte einen Mascarakrümel aus ihrem Augenwinkel.
»Oh Gott! Nie wieder Tequila!« Von dem Nachttisch zog sie ein Päckchen Schmerztabletten hervor. Mit der Cola vom Vortag spülte sie zwei davon herunter. Einen Moment lang wartete sie ab, ob es unten blieb. Dann schlug sie die Decke weg und tapste ins Badezimmer.
Als sie angezogen die Küche betrat, ging es ihrem Kater bereits so gut, dass ihr das Getöse der Kaffeemaschine nichts mehr ausmachte. Seufzend betrachtete sie den Zettel ihrer Mitbewohnerin neben den Espressotassen.
Hab trotzdem ein schönes Halloween. Vielleicht ist das dein Neustart. Sieh es als Geschenk des Universums. Bussi Tini.
»Na super.« Wie sollte man Halloween feiern, wenn der Freund einen am Vortag verlassen hatte? Wegen einer Blondine. Sie zerknüllte den Zettel und schmiss ihn in den Papierkorb.
Katja warf einen Blick auf die Küchenuhr und fluchte. Wenn sie noch pünktlich zu ihrer Vorlesung kommen wollte, musste sie sich beeilen. In einem Zug stürzte sie den Kaffee hinunter, schnappte ihre Unterlagen und hetzte zur Tür.
Um ein Haar wäre sie über den Strauß Rosen auf dem Treppenabsatz gestolpert.
»Björn!« Jetzt brauchte er auch nicht mehr ankommen.
Zuerst wollte sie die Blumen nach unten treten. Dann besann sie sich und nahm die Karte, die in den oberen Knospen steckte.
»Meine Schöne, genieße den Tag, als wäre es dein letzter«, stand da in einer verschnörkelten Handschrift.
»Nicht mal ne Entschuldigung?«, murmelte sie und schob den Strauß einfach beiseite. Die Karte steckte sie in ihre Gesäßtasche.
Sie zog den Schal fester und rannte zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinab zu ihrem Fahrrad.
Zwei Stunden später in der Uni hakte sich Laura von hinten bei ihr ein. »Gehen wir einen Kaffee trinken?«
Gähnend nickte Katja und ließ sich zu den Fahrradständern ziehen. Während der Vorlesung über deutsche Literatur des späten Mittelalters wäre sie zweimal fast eingenickt.
»Was hast du denn da?« Ihre Freundin zog eine Schachtel von Katjas Gepäckträger.
»Boa, das ist ja wohl das Letzte. Gestern macht er Schluss und heute überhäuft er mich mit Geschenken.« Katja zog die Augenbrauen zusammen und widerstand dem Drang, das Konfekt durch die Gegend zu werfen.
»Björn? Glaub ich nicht. Guck dir mal die Karte an.«
Mit spitzen Fingern nahm Katja das Kärtchen entgegen.
»Meine Schöne, versüße dir den Tag, als wäre es dein letzter.«
»Das klingt so gar nicht nach Björn, finde ich«, sagte Laura.
»Du hast recht.« Stirnrunzelnd drehte sie das Pappstück in den Händen, als ließe sich dadurch der Absender erkennen.
Sie erzählte von den Rosen. »Eigentlich dachte ich, dass das ein Versuch von Björn ist, sich