1. KAPITEL
Eileen wäre gerne woanders. Überall. Nur nicht hier.
Trotz des eiskalten Luftzugs der Klimaanlage spürte sie, wie sich Schweißperlen zwischen ihren Brüsten sammelten. Aber das lag einfach an ihm. Diesen Einfluss hatte er auf alle Frauen. Manche nannten es Charme, andere Manipulation – wie auch immer, die Wirkung, die er auf sie hatte, war auf jeden Fall wahnsinnig stark.
„Eileen?“ Gianluca Palladios tiefe Stimme mit dem deutlichen Akzent drang direkt zu ihr durch.
Sie versuchte, sich zu sammeln, während sie sich vom Fenster mit der wunderbar entspannenden Aussicht auf Rom ab- und dem beunruhigenden Anblick des Mannes hinter dem Schreibtisch zuwandte. Sie nannten ihnil Tigre, weil er wild, unberechenbar und stark war, und weil er allein jagte …
Heute hatte er seine sprichwörtlichen Krallen eingefahren und wirkte eher wie ein Salonlöwe – in seinem dunklen Anzug, der die breiten Schultern und den schlanken, durchtrainierten Körper noch betonte. Dazu trug er ein himmelblaues Hemd und eine goldfarbene Seidenkrawatte, die seinen olivfarbenen Teint hervorragend zur Geltung brachte.
Egal, wie oft Eileen bei der Arbeit Kontakt mit ihm hatte, immer war da dieses herrliche Kribbeln. Aber es war gefährlich, sich zu ihm hingezogen zu fühlen. Deshalb hatte sie gelernt, diese Regung zu unterdrücken. Inzwischen konnte sie ihm meist mit einem völlig unbeteiligten Gesichtsausdruck gegenübertreten, so wie ihre Stellung es verlangte. Das gelang ihr auch jetzt wieder, und sie fügte noch ein kühles Lächeln hinzu.
„Ja, Gianluca?“
„Sie waren ganz in Gedanken verloren“, stellte er fest, wobei es in seinen dunklen Augen gefährlich blitzte.
„Ich … ich habe nur die Aussicht bewundert.“
Das hatte er auch getan … Beim Vorbeugen hatte sich ihr Po unter dem reichlich uninteressanten Rock abgezeichnet und erahnen lassen, wie herrlich weiblich ihr Körper war, den sie immer sorgfältig bedeckt hielt. Für einen Moment war sie ihm richtig feminin und weich erschienen. Doch dieser Eindruck verflüchtigte sich rasch, als sie sich jetzt mit gestrengem Blick zu ihm umdrehte. Aber schließlich beschäftigte er sie nicht wegen ihres Äußeren, oder?
„Ist das nicht eine herrliche Aussicht?“, fragte Gianluca. „Meines Erachtens die schönste der Welt.“ Er lächelte das Lächeln eines Mannes, der gewohnt war, sich nur mit dem Besten zufriedenzugeben, und der sein Leben damit verbrachte, es auch zu bekommen. Deshalb war ihm durchaus klar, dass man nicht wertschätzte, was einem in den Schoß fiel.
Er ließ den Blick über das kunstvolle weiße Bauwerk direkt hinter Eileen gleiten, bei dem sich eine Marmorsäule an die andere reihte, und das mit zahlreichen Statuen verziert war. Dann zog er fragend eine Augenbraue hoch. „Wahrscheinlich gefällt Ihnen das Bauwerk von Vittorio Emanuele am besten. Wir Römer machen uns gern darüber lustig und nennen es abfällig denHochzeitskuchen.“
War da ein schelmisches Funkeln in seinen dunklen Augen?, überlegte Eileen. Und hatte er das letzte Wort mit seinen sinnlichen Lippen besonders hingebungsvoll von sich gegeben, als äße er gerade ein Stück von eben diesem Kuchen? Oder war sie, was dieses Thema betraf, einfach nur ein wenig empfindlich? Nach den drei Hochzeiten von Freundinnen im vergangenen Sommer herrschte bei Eileen das Gefühl vor, einen Bus verpasst zu haben, auf den sie zuvor gar nicht gewartet hatte.
Sie erwiderte Gianlucas Blick und überlegte dabei, wie es ihm gelang, gleichzeitig vertrauenerweckend und gefährlich zu gucken … und hätte sich am liebsten geohrfeigt. Aufhören! Sofort aufhören!, dachte sie beinah verzweifelt. Natürlich waren seine Augen umwerfend, genauso wie sein Gesicht und sein Körper, und wie dieses seltene und interessante Lächeln. Alles an ihm – selbst die lässige Arroganz, die er immer zur Schau trug – war umwerfend. Aber er war auch ein Playboy mit Milliarden auf dem Konto und spielte in einer ganz anderen Liga als sie. Werd vernünftig, Eileen!, ermahnte sie sich streng und erwiderte dann lässig: „Ich dachte, die meisten Römer würden das Gebäude mit einem Gebiss vergleichen.“
Gianluca lehnte sich lac