Kapitel 1
Scheiß auf alles, scheiß auf jeden, sei ein Einhorn und pups durchs Leben!
»Ich vermiss dich so«, säuselte ich ins Telefon und malte gedanklich kleine rosa Herzchen in die Luft.
»Nein, ich vermiss dich noch viel mehr«, flüsterte Louis am anderen Ende der Leitung, und allein der Klang seiner Stimme bescherte mir eine Gänsehaut.
Ich kicherte wie eine Verrückte, die zu viel Brausepulver gegessen hatte, und wickelte eine Haarsträhne um meinen Finger, während ich wie ein Breitmaulfrosch vor mich hin grinste.
»Nein, stimmt gar nicht, ich vermiss dich noch viel, viiiiel mehr …«
»O mein Gott, ich muss gleich kotzen. Fehlt nur noch, dass hier ein vor Glück furzendes Einhorn vorbeischwebt. Ich glaub, da hinten zeichnet sich schon ein Regenbogen am Horizont ab«, drang die Stimme meiner besten Freundin Liz vage, wie durch Watte (immerhin schwebte ich auf Wolke sieben und war dort oben nur sehr schlecht zu erreichen) an mein Ohr, da ich mich einzig und allein auf Louis konzentrieren konnte.
Ich seufzte tief und schwer verliebt ins Telefon.
Ach, Lou fehlte mir so … Ich konnte es kaum erwarten, dass die Franzosen vor Beginn der deutschen Herbstferien für zwei Wochen nach München kamen.
Meine Gedanken schweiften ab. Noch immer fiel es mir schwer, zu realisieren, wie sehr sich mein Leben in so kurzer Zeit verändert hatte. Plötzlich hatte ich nicht nur einen Freund (der noch dazu der Sohn des französischen Präsidenten war!) – nein, ich besaß seit meinem vierzehnten Geburtstag vor wenigen Monaten auch noch die Gabe, beim Geruch von Kakao in die Zukunft zu blicken! Das musste man sich mal auf der Zunge zergehen lassen – oder besser gesagt, in der Nase!
Man konnte es sich in etwa so vorstellen, als würde sich vor meinem geistigen Auge plötzlich eine Wolke auftun, die nur ich sah und in der undeutliche Zukunftsbilder an mir vorbeizogen. Mittlerweile hatte ich mich fast daran gewöhnt. Zumindest flippte ich nicht mehr aus, sobald ich irgendwo auch nur eine Schokoladentafel sah oder den Geruch von Kakao wahrnahm. Zu Beginn hatte es mich jedoch regelrecht in den Wahnsinn getrieben, wenn diese wirren Bilder wie ein Kinofilm vor meinem inneren Auge flimmerten.
Angefangen hatte alles damit, dass meine Oma mir vor zwei Jahren auf ihrem Sterbebett verraten hatte, dass ich eine Duftseherin war. Da die Gabe jedoch mehrere Generationen willkürlich übersprang, waren Oma Leni und ich die Einzigen aus unserer Familie, die über dieses magische Talent verfügten. Noch dazu hatte Oma mir einen geheimnisvollen Ring vermacht, in den eine Kakaobohne eingraviert war und den ich seit damals immer an einer Kette um meinen Hals trug. Später hatte sich herauskristallisiert, dass er mich vor dem Einfluss anderer Duftseher und Duftseherinnen beschützte.
Ausgerechnet bei unserem Schüleraustausch in Paris waren Liz und ich den Hintergründen meiner Gabe mehr auf die Spur gekommen. Und wir hatten sogar Louis’ Vater – Präsident von Frankreich und Duftseher – vor einer Intrige gerettet.
Verrückt, oder?
»Mila, bist du noch da?«, fragte Louis, und ich besann mich wieder auf mein Telefonat mit ihm.
Während wir uns gegenseitig weiterhin beteuerten, wie sehr wir uns auf die gemeinsame Zeit freuten, hatte Liz irgendwann die Nase voll davon.
»Darf ich mal?«, fragte sie und rupfte mir das Handy aus der Hand.
»Ey«, sagte ich empört, doch Liz war schneller als ich.
»Hallo Louis, hier ist Liz. Du weißt schon, das Mädel mit den coolen Klamotten und dem unfassbar guten Geschmack. Es tut mir sehr leid, dass ich euer Geturtel jetzt unterbrechen muss. Aber da ich hier offensichtlich die Einzige bin, deren Gehirn noch einwandfrei funktioniert und nicht total mit Kaugummi verklebt ist, hier eine kleine Erinnerung: Wir haben jetzt Schule.Au revoir!«
Und damit legte sie auf und reichte mir mein Smartphone zurück.
»Das war nicht nett!«, maulte ich und sah meine beste Freundin finster an.
»Ab