1. KAPITEL
Ein eisiger Januarregen fegte über die Stadt. Blitze durchzuckten den schwarzen Himmel über Savannah. Donnerschläge erschütterten die majestätischen Eichen, die den Privatweg säumten, rüttelten an den Zweigen und Blättern und ließen die moosbedeckten Stämme erzittern.
Es war ein Wetter, bei dem man keinen Hund vor die Tür jagte, aber wenn Abraham Danforth seine Familie zu einem Treffen rief, kamen alle.
Am Strand unterhalb des Herrenhauses Crofthaven Manor brachen sich schäumend die Wellen, doch Reid Danforth saß warm und trocken in seinem komfortablen BMW. Duke Ellington ertönte aus den Lautsprechern, vermischte sich mit dem Geräusch des Regens, der auf das Autodach prasselte, und demWupp-wupp der Scheibenwischer. Nach einem langen, hektischen Tag mit harten Verhandlungen mit Maximilian Paper Products, einem der größten Kunden von Danforth& Co. in Österreich, war Reid dankbar für die friedliche halbstündige Fahrt zum Haus seiner Familie.
Eine Fahrt, die gleich enden wird, dachte er, als er vor dem großen, schwarzen schmiedeeisernen Tor vorfuhr.
Er atmete tief aus, drückte auf die Fernbedienung in seinem Wagen und sah zu, wie sich das massive Tor langsam öffnete. Ein Blitz erhellte das große, im Stil des 18. Jahrhunderts gebaute Herrenhaus am Ende der Einfahrt. Der Donner grollte am Himmel wie Geschützlärm. Licht drang aus den Bleiglasfenstern des Hauses.
Reid, inzwischen zweiunddreißig, war – abgesehen von den Jahren, die er in verschiedenen Internaten verbracht hatte – hier aufgewachsen. Und dennoch beeindruckte ihn das Anwesen immer wieder aufs Neue. Crofthaven war Ende des neunzehnten Jahrhunderts von seinem Urgroßvater Hiram gebaut worden und darauf ausgelegt, die Zeit zu überdauern. Und Widerstandsfähigkeit war auch eine Eigenschaft, die seine Nachkommen auszeichnete – dafür hatte Hiram schon gesorgt.
Reid parkte zwischen zwei der drei Limousinen der Familie und stellte den Motor ab. Er blieb sitzen und lauschte dem monotonen Prasseln des Regens auf das Autodach. Er brauchte immer einen Moment, um den Wandel zwischen der realen Welt und Crofthaven zu vollziehen. Heute Abend würde sein Vater von der ganzen Danforth-Sippe absolute Aufmerksamkeit erwarten. Er wollte seine Strategie für die bevorstehende Senatorenwahl darlegen. Die Geschlossenheit und Unterstützung der Familie waren für einen erfolgreichen Wahlkampf unerlässlich.
Abraham Danforth kannte das Wort Misserfolg nicht, eine Tatsache, die den ohnehin reichen Reeder noch wohlhabender hatte werden lassen als seine Vorfahren. Reich genug, um sich aus dem Tagesgeschäft von Danforth& Co. Shipping zurückzuziehen und eine neue Karriere in der Politik zu starten.
Da er bereits spät dran war, stieg Reid schließlich aus und lief durch den strömenden Regen zur Haustür. Ein eiskalter Wind blies ihm ins Gesicht. Schnell öffnete er die riesige Eichentür und trat in das weiße Marmorfoyer. Auf einem Tisch neben der herrschaftlichen, ausladenden Treppe stand eine große Kristallvase mit weißen Rosen, deren Duft die Luft erfüllte. Dazu das himmlische Aroma nach Lammbraten und Oregano.
„Master Reid.“ Joyce Jones, Crofthavens Haushälterin, kam auf ihn zu. „Ich habe mir schon Sorgen um Sie gemacht.“
„Es ist alles in Ordnung“, versicherte Reid der Frau, die er schon sein ganzes Leben lang kannte. „Ich musste im Büro noch etwas Papierkram erledigen.“
Obwohl nie besonders herzlich, war die gut sechzig Jahre alte Haushälterin zumindest eine Konstante in Reids unsteter Kindheit gewesen. Noch heute trug sie die gleiche schwarze Uniform, die gleichen robusten Arbeitsschuhe. Selbst ihre Frisur, ein schlichter Knoten, hatte sich nicht geändert, auch wenn die braunen Haare mittlerweile von grauen Strähnen durchzogen waren.
„Ein schrecklich