Tamalone
Ihr Name. Ta-Ma-Lone!
Diese drei Worte dröhnten in ihren Ohren, als wollten sie Hallen und Thronsäle füllen. Und der Mann, der ihr einst diesen Namen gab, stand vor ihr. Der Aufpasser – ihr Vater? Unmöglich. Sie hatte von sich immer angenommen, dass sie ein guter Mensch wäre. Trotz des Viertels Elfenblut, das in Wahrheit nur ein Achtel war. Wenn überhaupt. Wie sollte sie das weiterhin von sich selbst glauben, wenn ihr Vater …
Pandos Vater hatte gesagt, dass der Mann, der einen elfenblütigen Vierteldrachen so schnell töten konnte, dass der sich nicht hatte wehren können, der mächtigsten Magier dieser Welt sein musste. Und dass er, wenn er auch noch in der Lage war, als Geist die Welt der Lebenden zu durchwandern, sogar die Magier der alten Zeit übertroffen hätte. Außerdem war er ein Monster, das Menschen tötete, um ihnen die Haut abzuziehen und Kleidung daraus zu nähen. Auch wenn er es anders darstellte, er tauschte Leichenteile ein gegen … Doch das hatte er ihr verschwiegen. Was war die Gegenleistung für das Fleisch, das Blut, die Knochen, Haut und Haare?
Dass sich durch sein Geständnis nun auch noch der erste Mann, mit dem sie das Bett geteilt hatte, als ihr Halbbruder herausstellte, war im Vergleich zu all diesen Dingen nur noch eine lässliche Sünde.
„Wäre deine Mutter geblieben, wären unser beider Leben anders verlaufen. Doch lohnt es sich nicht, der Vergangenheit hinterherzulaufen. Es stehen uns immer noch alle Möglichkeiten offen.“
Noch mehr Worte, die das Dröhnen nur verstärkten. Laute ohne Sinn und Bedeutung. Hall und Echo, Schmerz und Unverständnis. Tama schlug sich gegen die Ohren, als ob das helfen würde.
„Du kannst dir meine Freude kaum vorstellen, als du zurückkamst. In Begleitung dieser wunderschönen Frau, die aus einem Kind eine Zauberin machte. Sie hier vor meinen Augen aufzog.“
„Freude.“ „Frau.“ „Augen.“ Erste Worte wurden verständlich und fanden ihren Weg durch Tamas Ohren.
„Ich sehe Verwunderung auf deinem Gesicht. Und Verwirrung in deinen Augen. Du verstehst nicht? Wer, meinst du, hat dafür gesorgt, dass du hier eine Bleibe fandst und genug zu essen bekamst? Wer hat dich denn beschützt, dir die Gelegenheit gegeben zu lernen und erste Erfahrungen zu machen? Bitte verzeih mir, dass ich nicht anders konnte, als mich in die Frau an deiner Seite zu verlieben. Sie ist der Grund, dass ich mit deiner leiblichen Mutter brach. Denn bis zu der Begegnung mit euch beiden hoffte ich auf ihre Rückkehr. Doch dann verließet auch ihr mich. Erst deine Begleiterin, dann du. Aber alles ist nun gut, weil ihr zurückkamt.“
„Ich habe also zwei Halbbrüder.“ Ein kurzer Satz auf halber Strecke zwischen Feststellung und Frage verbrauchte das Bisschen an Kraft, das zu Tama zurückgekehrt war.
„Das ist richtig. Sie wuchsen gemeinsam mit dir auf, bis sie eines Tages verschwunden waren. Ihre Mutter hatte sie mitgenommen. Ich hoffe, es geht ihnen gut.“
Tama lehnte sich gegen die Felswand. Ihre Beine zitterten, aber ihr Verstand kam zurück. Lug, Trug und Halbwahrheiten waren zu einem Mantel verwoben worden, der niemandem passte. Altwi und der Aufpasser erzählten ihr zwei so unterschiedliche Geschichten, dass nur eine von ihnen wahr sein konnte. Möglich auch, dass beide erfunden waren.
Altwi traute sie nicht. Ihre leibliche Mutter war eine Frau voller Geheimnisse. Dem Aufpasser traute sie noch weniger, denn seine Geschichte war voller kleiner Lügen. Sie und ihre Halbbrüder waren nicht gemeinsam aufgewachsen, wie er sagte. Sie hatten nur ein paar Jahre hier in der Siedlung verbracht. Zur selben Zeit, aber nicht gemeinsam. Sie hatten sich gelegentlich gesehen, aus der Ferne, nie miteinander gesprochen und stets Abstand gehalten. Auf wessen Geheiß wusste sie nicht. Die Unaussprechliche hatte ihren Zustand verborgen, ihre Kinder in einem Versteck zur Welt gebracht und nach Drachenart aufgezogen. Aber Tama wollte nicht über ihre Halbbrüder sprechen. Sie wollte überhaupt nicht über ihre Familie sprechen, bevor sie nicht Altwis Sicht der Dinge kannte. Sie wollte über die Geister sprechen. Und die Toten. Und die Welt der Geister und Toten. Doch dazu musste sie erst den Redefluss des Aufpassers unterbrechen, der wie ein schnell fließender Bach unaufhörlich vor sich hin murmelte.
„Glaube mir, ich habe mich die ganze Zeit nach einer Familie gesehnt. Die Frau, die ich liebte, an meiner Seite und ihre Kinder und dich noch dazu. Wir fünf. Bis heute weiß ich nicht, warum sie ging. Und jetzt weiß ich nicht, warum sie kam. Sie erschien mir freundlich, sprach mit mir über alles Mögliche, nur nicht über uns. Was ist das für eine Frau? Tamalone, du kennst sie besser als ich, hilf mir ein wenig. Ich möchte euch nicht erneut verlieren.“
Jetzt war der Moment gekommen, das Thema zu wechseln. Es schien, als wäre der Aufpasser wirklich verzweifelt, doch Tama traute ihm keinen Fingernagelkratzer über den Weg. Jemand, der so mächtig war, wie sie vermutete, würde niemals vor anderen eine solche Schwäche zeigen. Alles deutete darauf hin, dass er ihr nur etwas vorspielte, um von ihr das zu bekommen, was er von ihr haben wollte. Aber was konnte das sein?
„Ich befürchte, ich kann Euch dabei