: Hans-Jürgen Benedict
: Lust an der Beschreibung Maler und Malerei in der Literatur
: epubli
: 9783757554101
: 2
: CHF 8.10
:
: Kunst, Literatur
: German
: 287
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Maler sind als Künstler immer auch psychisch gefährdet. Das ist ein wiederkehrendes Motiv in Künstlerromanen. Sie werden bewundert als Schöpfer einer eigenen Welt. Mit ihrer Sicht auf die Welt vollziehen sie eine Neuschöpfung, das ist ihr Gotteskomplex und das macht sie so interessant nicht nur für Kunstliebhaber, sondern auch für Romanautoren. Erfolg wie Scheitern sind vorprogrammiert. Ut pictura poiesis - diese Forderung des Horaz stellt an die Kunstbeschreibung der Schriftsteller hohe Anforderungen. Eine Anthologie von Bildbetrachtungen aus der Zeit der Klassik und der Romantik zeigt, zu welcher einfühlenden Deutung die damaligen Poeten, gewissermaßen als Kunstwissenschaftler avant la lettre, fähig waren. Dieses Buch ist das Buch eines im guten Sinne dilettantischen Betrachters und Lesers. Mir fiel auf, dass die Maler und die Malerei in vielen Erzählungen und Romanen, die ich im Laufe eines langen Lebens gelesen habe, eine wichtige Rolle spielten. Ich ging dem nach, was ich noch erinnerte, und erweiterte durch Neulektüre meinen Kenntnisstand. Las aber auch einige Romane, in der die Malerei eine Rolle spielt, zum ersten Mal. Ein Freund gab mir zudem die Anthologie Meine süße Augenweide zu lesen, in der Bildbetrachtungen aus 150 Jahren deutscher Literatur versammelt waren. Lust an der Betrachtung und Beschreibung von Bildern war ein sich durchziehendes Motiv. Dem verdankt sich der Titel des Buches.

Hans-Jürgen Benedict ist promovierter Theologe, Journalist und Autor. Er war tätig als Pastor in den 80er Jahren, ab 1991 Professor an der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie in Hamburg. Seit 2006 emeritiert.

1. Dichter über Maler und Malerei – eine kommentierte Auswahl aus der Anthologie „Meine süße Augenweide“ von Goethe bis Fontane



Kunst-Reisen sind en vogue. Das begann mit den Italienreisen Ende des 18 Jahrhunderts. Heute bieten Museen, Volkshochschulen, Kirchengemeinden und Kunstvereine Kunstreisen in großer Vielfalt an. Die berühmteste Kunstreise ist GoethesItalienische Reise, die vor allem eine Reise in die Antike und in die Renaissance war. Und eine Reise in die eigene Identitätsfindung, geheimnisvoll angetreten unter fremden Namen. „Früh drei Uhr stahl ich mich aus Karlsbad, weil man mich sonst nicht fortgelassen hätte (…) ich warf mich ganz allein, nur einen Mantelsack und Dachsranzen aufpackend, in eine Postchaise ...“ Über München und den Brenner geht es nach Norditalien, Bozen, den Gardasee, Verona, Venedig, Florenz nach Rom, dem Sehnsuchtsziel. Kaum kann er das Gefühl in Wort fassen, als er endlich in der ewigen Stadt angekommen ist. „Ja, ich bin endlich in dieser Hauptstadt der Welt angelangt (…) Nun bin ich hier sicher und ruhig, und, wie es scheint, auf mein ganzes Leben beruhigt. Denn es geht, man darf wohl sagen, ein neues Leben an, wenn man das Ganze mit Augen sieht, das man teilweise in- und auswendig kennt. Alle Träume meiner Jugend seh´ ich nun lebendig, die ersten Kupferbilder, deren ich mich erinnere(mein Vater hatte die Prospekte von Rom auf einem Vorsaale aufgehängt – noch heute im Frankfurter Goethe-Haus zu besichtigen) seh´ ich nun in Wahrheit, und alles, was ich in Gemälden und Zeichnungen, Kupfern und Holzschnitten, in Gips und Kork schon lange gekannt, steht nun beisammen vor mir; wohin ich gehe, finde ich eine Bekanntschaft in einer neuen Welt; es ist alles, wie ich’s mir dachte, und alles neu.“ (Italienische Reise in: Goethes Werke Bd. 11, Hamburger Ausgabe, 126) Das Anschauen der großen Kunstwerke war für Goethe sinnliches Erlebnis von Wahrheit und Schönheit, wenn er auch von den Darstellungen der Leiden der Heiligen oft abgestoßen war. Jetzt vor Gemälden zu stehen, die er bis dato nur durch Reproduktionen kannte, aber auch in der Vielzahl der Gemälde, die er nun sah, unterscheiden und bewerten zu können und so die Höhepunkte, Tizian, Raffaels „Schule von Athen“ in den Stanzen und vor allem Michelangelos Fresken in der Sixtinischen Kapelle erst recht würdigen zu können, war ein intensives Glücksgefühl.

Goethe, Tizians Madonna von S.Niccolo de‘Frari


Eine erste Bildbegegnung in Rom geschieht mit einem Gemälde Tizians in der Kirche S. Nicolo de Frari, das den heiligen Bischof Nikolaus zeigt. Merkwürdig genug entschlüsselt Goethe die auf dem Gemälde dargestellten heiligen Figuren nicht, sondern beschreibt sie wie ein Betrachter, dem die christliche Heiligentradition fremd ist. Ganz nach der Regel: was siehst Du, noch ohne Bewertung und Deutung? Was sieht Goethe? Eine bischöfliche Gestalt umhüllt von einem goldglänzenden Messgewand, den Hirtenstab in der Linken, in der Rechten ein Buch. Eine schöne Jungfrau, eine Palme in der Hand, mit lieblicher Teilnahme nach dem aufgeschlagenen Buch hinschauend, ein ernster Alter, die Schlüssel in der Hand, ein wohlgebildeter von Pfeilen verletzter Jüngling, zwei Mönche, Kreuz und Lilie tragend. Sodann eine „herabwärts teilnehmende Mutter“, ihr lebendig munteres Kind reicht mit heiterer Gebärde einen Kranz herüber, schwebende Engel, die Kränze halten, eine himmlische Taube usw. Und dann zum Schluss die Folgerung: „Hier muss ein heiliges Überliefertes zugrunde liegen, dass diese verschiedenen unpassenden Personen so kunstreich und bedeutungsvoll zusammengestellt werden konnten (…).Wir lassen es geschehen und bewundern die unschätzbare Kunst.“ (Italienische Reise 129) Das heilig Überlieferte ist der Bildtyp der Sacra Conversazione, der die Muttergottes mit dem Jesuskind mit verschiedenen Heiligen, hier Nikolaus, Petrus, Katharina, Sebastian, Franziskus und Antonius zeigt.

Am Cäcilienfeste dann der Besuch der Sixtinischen Kapelle. Goethe notiert: „Ich konnte nur sehen und anstaunen. Die innere Sicherheit und Männlichkeit de