Die Beschäftigung mit der Geschichte des Liberalismus hat in Deutschland eine gut einhundertjährige Tradition. Dies gilt sowohl für Darstellungen zur Organisations- als auch zur politischen Ideengeschichte. Einer ersten sehr zeitgebundenen und interessengeleiteten Arbeit des Publizisten Oskar Klein-Hattingen aus den Jahren kurz vor dem Ersten Weltkrieg folgte die Darstellung des Ideenhistorikers Guido de Ruggiero aus der Endphase der Weimarer Republik.1 Grundlegend für die Liberalismus-Deutung nach 1945 wurde zunächst die Darstellung des Historikers Friedrich C. Sell (1953), der mit seiner These von der Tragödie des deutschen Liberalismus dem älteren Topos einer schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts behaupteten Krisengeschichte der liberalen Ideen eine neue Facette hinzufügte.2 In den 1960er Jahren erschien für die politische Bildungsarbeit der Überblick eines Autorenteams aus dem unmittelbaren Umkreis der Friedrich-Naumann-Stiftung.3 Die bis heute anspruchsvollsten historischen Synthesen zur Geschichte des deutschen Liberalismus aber stammen von dem amerikanischen Historiker James J. Sheehan (1978/83) zum einen und von Dieter Langewiesche (1988) zum anderen.4 Eine neuere Gesamtdarstellung des Liberalismus von Hans Fenske (2019) ist leider unbefriedigend.5
Bei einem wissenschaftlichen Diskurs über die Geschichte des Liberalismus lassen sich einige grundsätzliche Vorüberlegungen anstellen, um zu Perspektiven für die künftige Forschung zu gelangen. Hierzu gehört die Frage, welchen Stellenwert die Liberalismus-Forschung in der aktuellen Historiographie einnimmt, welche Aufgabe ihr heute zukommt und wie eine moderne Liberalismus-Geschichte aussehen könnte. Die folgenden Ausführungen verstehen sich nicht als umfassender Überblick über die Geschichtsschreibung zum politischen Liberalismus, sondern sollen vielmehr das Augenmerk auf einige forschungsrelevante Phänomene legen.
Die letzten dreißig Jahre der deutschen Liberalismus-Geschichte haben sich hauptsächlich in den Bänden des Jahrbuchs zur Liberalismus-Forschung niedergeschlagen. Wichtige Monographien sind in den online verfügbaren Rezensionen zur Liberalismus-Forschung besprochen worden. Dabei zeig