: Reinhard Rohn
: Die ersten Tage der Liebe Roman
: Emons Verlag
: 9783987070921
: 1
: CHF 9.30
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 240
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die einzigartige Geschichte einer schicksalhaften Liebe und die alles entscheidenden Momente im Leben. Friedrich Dohle stellt sich auf freudlose Ferien ein: Seine Frau ist allein verreist, während er in Osnabrück bleibt. Doch dann steht auf einmal Susan vor seiner Tür, seine ehemalige Lehrerin, in die er sich vor fast vierzig Jahren haltlos verliebte. Gezwungen, ihre Beziehung geheim zu halten, schworen sie sich ewige Treue. Bis ein tragisches Unglück Susan aus der Stadt trieb. Nun ist sie zurückgekehrt, damit Friedrich sein Versprechen einlöst: sie für alle Zeit zu lieben.

Reinhard Rohn, 1959 in Osnabrück geboren, lebt seit über 30 Jahren in Köln und arbeitet als Verlagsleiter in einem Berliner Verlag. Er hat zahlreiche Kriminalromane ins Deutsche übersetzt und mehrere Spannungsromane geschrieben.

2

Ein Bild prägte seine Kindheit: ein kleines Kind, dreijährig, in einem schwarzen Anzug, einem Hemd mit einem harten weißen Kragen, der am Hals scheuerte, mit Lackschuhen und feinen weißen Handschuhen. Es saß auf einem Holzkasten. Wenn man nicht genau hinschaute, hätte man das hölzerne Ungetüm für ein zu groß geratenes Pferd halten können, ein unförmiges Spielzeug. Dass es ein Sarg war, wäre keinem Betrachter in den Sinn gekommen. Sein Vater hatte das Foto mit einer Leica geschossen. Der erste Sohn im Bestattungshaus Dohle. Mehrere Särge aus unterschiedlichem Holz – Eiche, Lärche, Kirsche – und verschieden große Urnen schmückten den Ausstellungsraum, dazwischen stand ein schwarzes edles Ledersofa, flankiert von zwei mächtigen Vasen mit teuren Orchideen. Auf Wunsch konnten von einer Musiktruhe auch klassische Klänge eingespielt werden. Bach, am liebsten etwas von Bach, auch wenn sein Vater von klassischer Musik eigentlich nichts verstand, sondern lieber bayerische Blasmusik hörte und seine Mutter Schlager liebte. Wenn er die Augen schloss, hatte er die Szenerie immer noch vor Augen.

Im Mai 1959, vier Wochen nach seiner Geburt, hatten seine Eltern sich mit ihrem Bestattungshaus selbstständig gemacht. Vorher hatte sein Vater als Tischler gearbeitet, aber dessen Rückenleiden war immer heftiger geworden, sodass er zuletzt mehr beim Arzt gesessen als an der Werkbank gestanden hatte.

Seine Mutter hatte ihre Bürotätigkeit bei einem Steuerberater aufgegeben, und er, der kleine Friedrich, kroch mit acht, neun Monaten zwischen den Särgen herum und wurde nur eingefangen, wenn Kundschaft ins Haus kam. Seinen ersten Toten hatte er gesehen, als er vier war – einen mageren nackten Mann, den er in seiner Erinnerung nur den Dirigenten nannte, weil er mit seinen grauen lockigen Haaren dem mittelalten Herbert von Karajan geähnelt hatte. Sein Vater hatte den Toten gewaschen und ihm dann ein weißes Rüschenhemd angezogen.

Später, mit acht oder neun, musste er seinem Vater zur Hand gehen, wenn er nicht auf Henry, seinen zwei Jahre jüngeren Bruder, aufpassen musste. »Reich mir mal den Kamm, Friedrich.« – »Wo ist das Totenhemd?« – »Na, sieht Frau Soundso nicht schön aus mit ihren gefalteten Händen?«

Manchmal hatte Friedrich schon damals das Gefühl gehabt, dass sein Vater sich am liebsten unter Toten aufhielt; er redete mit ihnen, sie widersprachen ihm nicht, und er hatte keine Angst vor ihnen. Er erzählte ihnen auch, wer er eigentlich war – der arme Flüchtling, den man aus Ostpreußen vertrieben, dem man alles genommen hatte, zuerst den Hof, dann die Eltern, auf der Flucht die kleine Schwester, die an der Ruhr gestorben war. Als Tischler habe er sich durchschlagen müssen – ganz unter seinem Stand, obschon sein Vater das erste Auto im Dorf besessen habe, die schönsten Pferde und einen Hofladen obendrein. Die Toten hörten aufmerksam zu. Selbst wenn der Vater sich permanent wiederholte, wenn aus dem Opel ein Mercedes wurde und all die Dinge aufgezählt wurden, die man im Hofladen verkauft hatte – Brot, selbst gemachte Wurst und so weiter&n