: Astrid Schilcher
: Grazer Zunder Kriminalroman
: Emons Verlag
: 9783987071225
: 1
: CHF 7.80
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 208
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein Mörder verhöhnt die Polizei mit Gedichtzeilen. Dramatik pur in Graz. Im Grazer Stadtpark wird eine Tote gefunden, auf deren Körper ein Blatt Papier mit einer Gedichtzeile platziert wurde. Die Ermittlungen führen Chefinspektor Sepp Semper vom LKA Steiermark ins Uni-Milieu und in die Online-Dating-Welt. Und es bleibt nicht bei einer Leiche: Ein perfides Katz-und-Maus-Spiel beginnt, in dem Semper und sein Team in einem Strudel aus Demütigungen und Rache zu versinken drohen. Schließlich legen sie einen Köder aus - doch wird der Mörder ihn schlucken?

Astrid Schilcher, Jahrgang 1971, studierte Kunstgeschichte, Dolmetschen und VWL. Sie lebt in Graz, wo sie gemeinsam mit ihrem Mann ein Consulting-Unternehmen führt und an diversen Fachhochschulen unterrichtet. 2018 veröffentlichte sie ihren ersten Roman.

Einblicke


Auf der Fahrt in die Morellenfeldgasse hingen die beiden Ermittler ihren Gedanken nach. Sepp Semper und Christoph Leitner genossen die aus jahrelanger Zusammenarbeit erwachsene Vertrautheit, die es ihnen ermöglichte, gemeinsam zu schweigen. Die Route führte sie vorbei an der Alten Technik, deren Gebäude nach dem Vorbild der Technischen Hochschule in Dresden gestaltet war. Bei einem der türkischen Lebensmittelgeschäfte, die sich in gewissen Bezirken zu einem wichtigen Glied der Nahversorgung gemausert hatten, bogen sie links in die Zielgasse ein.

Die altrosa Fassade des zweistöckigen Hauses wies im Erdgeschoss die für die Gründerzeit typischen angedeuteten Steinquader auf, die darüberliegenden Geschosse waren mit Konsolen und Pilastern geschmückt. Hohe, sechsteilige Fenster, an deren Balken die graue Farbe bereits abblätterte, versprachen lichtdurchflutete Wohnungen. Christoph Leitner überflog die Namensschilder und presste seinen Daumen schließlich auf den Klingelknopf, neben dem schwarze Druckbuchstaben das Wort »HIEBLER« formten. Nachdem auch ein dreimaliges Läuten keine Reaktion provoziert hatte, probierte er sein Glück bei den restlichen Hausbewohnern.

»Ja bitte?«, plärrte eine metallisch verzerrte Männerstimme aus der Gegensprechanlage.

»Polizei, können Sie uns bitte die Tür öffnen?«

»Haha, sehr witzig!«

»Nichts ›haha‹. Ich bin Abteilungsinspektor Leitner, und neben mir steht Chefinspektor Semper vomLKA Steiermark. Öffnen Sie bitte die Tür.«

Nach mehreren Sekunden Stille ertönte das Surren des Türöffners. Den Steinfliesenboden des peinlich sauberen Stiegenhauses zierte ein blau-weißes Schachbrettmuster. Als das Ermittlerduo die ersten Stufen erklomm, schallte ihnen von oben ein »Hallo? Ich bin im zweiten Stock« entgegen. Dort angekommen, stand ein Mann Mitte dreißig breitbeinig und mit verschränkten Armen in der Tür und starrte ihnen misstrauisch entgegen.

»Worum geht es?«, wollte er wissen, nachdem sie sich ausgewiesen hatten.

»Kennen Sie eine Jasmine Hiebler?«

»Natürlich, sie wohnt gleich dort.« Er deutete auf die andere Wohnungstür in diesem Geschoss.

Sepp Semper warf einen raschen Blick auf das Türschild und gebot dann in einem Tonfall, der keinerlei Widerspruch duldete: »Herr Reisinger, lassen Sie uns bitte in Ihre Wohnung gehen.«

Der Mann führte sie in eine modern eingerichtete Küche, in der sich vier barhockerartige Stühle um eine an eine Kücheninsel angebaute Tischplatte gruppierten. In der Abwasch befanden sich eine Müslischüssel, ein Kaffeehäferl und ein Trinkglas. Offenbar hatte der Mann allein gefrühstückt.

»Jasmine? Das kann nicht sein.« Michael Reisinger schüttelte sein Haupt in trotzigem Protest über die Nachricht vom Ableben seiner Nachbarin.

»Wann haben Sie Frau Hiebler das letzte Mal gesehen?«, eröffnete Christoph Leitner die Frageroutine.

»Das war am Donnerstag gegen einundzwanzig Uhr in dem Lebensmittelges