: Nicola Upson
: Experte in Sachen Mord
: kein& aber
: 9783036996370
: Josephine Tey und Archie Penrose ermitteln
: 1
: CHF 16.20
:
: Historische Kriminalromane
: German
: 480
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

in Mord, der das flirrende Theatermilieu des Londoner West Ends gewaltig aufwirbelt. Im Auge des Orkans: die gefeierte Autorin Josephine Tey. Gemeinsam mit ihrem alten Freund Detective Archie Penrose muss sie sich der Frage stellen: Inwiefern steht die Tat mit Josephines erfolgreichem Theaterstück in Verbindung?



Nicola Upson wurde 1970 in Suffolk, England, geboren und studierte Anglistik in Cambridge. Ihr DebütExperte in Sachen Mord bildet den Auftakt der erfolgreichen, mehrbändigen Krimireihe. Bei deren Hauptfigur Josephine Tey handelt es sich um eine der bekanntesten Krimiautorinnen des Britischen Golden Age.Mit dem Schnee kommt der Tod war nominiert für den CWA Historical Dagger Prize (2021). Nicola Upson lebt in Cambridge und Cornwall.

2


Detective Inspector Archie Penrose konnte sich nicht in der Gegend um King’s Cross aufhalten, ohne von Schwermut übermannt zu werden. Für ihn war der Norden Londons der abstoßendste und, obwohl sich die Straßen hier verbreiterten, klaustrophobischste Teil der Stadt. Er fuhr eine wenig reizvolle Durchgangsstraße hinunter, deren triste Häuser vermutlich noch nie renoviert oder auch nur gereinigt worden waren, und passierte anschließend die schäbige Ansammlung von Gebäuden, die die Euston Station bildeten. Dann kam King’s Cross, dessen Fassade – zwei große Bögen, die einen Uhrenturm aus hässlichem gelbem, im Laufe der Jahre schwärzlich verfärbtem Backstein umrahmten – ihn eher an den Eingang eines Zuchthauses erinnerte als an einen Bahnhof, das Eintrittstor zur Hauptstadt. Für einen Mann, der auf dem Weg zu einer Mordermittlung war, war diese Assoziation ganz sicher nicht hilfreich.

Am Zugang zu Bahnsteig acht hatte sich eine beachtliche Menschenmenge versammelt, die ihm die Sicht auf den Zug versperrte, in dem vor weniger als einer Stunde von einem jungen Eisenbahnmitarbeiter die Leiche der jungen Frau gefunden worden war. Laut Sergeant Fallowfield, der den Tatort als Erster erreicht hatte, stand der junge Mann unter Schock. Das erklärte er Penrose, nachdem er sich mit wenig Verständnis für deren Schaulust seinen Weg durch die Zaungäste gebahnt hatte.

»Man sollte meinen, die Leute hätten an einem Freitagabend Besseres zu tun. Verdammte Aasgeier, alle miteinander!«

Diese Bemerkung sah dem Sergeant überhaupt nicht ähnlich, der für gewöhnlich mit großem Optimismus auf die menschliche Natur blickte, obwohl ihn seine jahrelange Erfahrung als Polizeibeamter etwas anderes gelehrt hatte. Was auch immer er dort im Zug gesehen hatte, es ging ihm sichtlich an die Nieren. »Armes Kind, sie kann nicht älter als zwanzig gewesen sein«, sagte Fallowfield, als hätte er Penrose’ Gedanken erraten. »Sie hatte kaum Gelegenheit, ihr Leben richtig zu beginnen, geschweige denn, es zu genießen.«

»Wissen wir schon, wer sie war?«, fragte Penrose.

»Wenn wir davon ausgehen, dass die Reisetasche im Abteil ihr gehörte, hieß sie Elspeth Simmons und stammte aus Berwick-upon-Tweed – zumindest ist sie dort in den Zug gestiegen. Die Rückfahrkarte hatte sie auch schon. Ein widerwärtiger Mord, Sir, so bösartig, wie ich es kaum je erlebt habe. Ich denke, wir haben es mit einer kranken Persönlichkeit zu tun.«

Als er sah, was ihn in dem abgeriegelten Abteil erwartete, konnte ihm Penrose nur zustimmen. Die tote junge Frau saß auf dem mittleren der drei rechten Sitze des Abteils – oder schien vielmehr dort platziert worden zu sein –, und unterhalb ihres Brustbeins ragte eine verschnörkelte Hutnadel aus ihrem Kleid. Ihre Hände waren aneinandergelegt, als würde sie – welch Hohn – dem Schauspiel applaudieren, das jemand für sie auf den gegenüberliegenden Sitzen inszeniert ha